Die Tiefsee ist so etwas wie ein submariner Himmel. Zwar wissen wir von Hans Hass und Jacques Cousteau, dass es da unten recht schnell ziemlich finster wird. Aber der Mensch mag nun einmal keine unendlichen Weiten, mit denen sich nicht auch etwas Mystisches verbinden ließe. So entstanden die Vorstellungen von Städten unter dem Meer, die berühmteste heißt Atlantis, viele erhoffen sich von dort Inspiration gegen eine Zivilisation, die irgendwann im Plastikmüll ersticken wird.

Charaktermime Willem Dafoe ist erstmals nach Sam Raimis "Spider-Man" wieder im Blockbusterfach zu sehen: In James Wans Comicverfilmung "Aquaman" spielt er den dubiosen Vulko.

Da sich aber – wie auch aus dem Himmel über der Erde – bisher niemand rührt, um die Menschen zurechtzuweisen, gibt es nun aus dem Haus DC Comics einen neuen Atlantis-Mythos, der allzu menschliche Züge trügt. Der Film Aquaman von James Wan beginnt mit einer angeschwemmten Meerjungfrau, die sich als Nicole Kidman (mit Schuppen) erweist. Sie trägt den lustigen Namen Atlanna und verliebt sich in einen Mann mit dem auch nicht ganz unkomischen Namen Tom Curry. Aus der Verbindung geht ein Sohn hervor, der mit bürgerlichem (?) Namen Arthur Curry heißt. Sein eigentlicher Titel ist König von Atlantis. Dafür muss er sich aber erst qualifizieren, indem er sich einen Dreizack verschafft, der auf ihn wartet wie einst das Schwert im Stein auf den König Artus. Womit die eine Anspielung im Namen geklärt ist. Die andere ist keine: Curry bleibt Curry, wie Blaukraut halt Blaukraut bleibt.

Transparent und sperrig

Arthur Curry ist Aquaman. Als gezeichnete Figur gibt es ihn schon eine ganze Weile, im Blockbusterkino hatte er dagegen erst zwei Auftritte, bevor ihm nun die Ehre eines Spektakels in eigenem Namen widerfährt. In der großen Parallelaktion zwischen Marvel und DC, die seit einer guten Dekade das Hollywoodkino prägt, gehört Aquaman zu jener Hälfte, in der lange Zeit fast alles im Schatten von Super- und Batman stand. Zuletzt gelang mit Wonder Woman aber ein wegweisender Ableger. Über Aquaman wird man vergleichbare Einschätzungen wohl nicht so leicht finden.

Das hat viel mit dem Element zu tun, in dem sich der Aquaman naturgemäß häufig aufhält. Wasser ist bei all seiner Transparenz eine sperrige Materie, und wenn jemand darin ganz normal sprechen kann, dann denkt man nicht so sehr an eine Supergabe als an einen billigen Trick. Die prächtigen subaquatischen Farbenspiele, zu denen James Wan und Kameramann Don Burgess sich wohl nicht zuletzt durch James Camerons Avatar inspirieren ließen, nehmen es zwar mit jedem Aquarium auf, auch mit jenem, in dem der kleine Arthur Curry zu Beginn einen Riesenhai nervös macht.

Trailer zu "Aquaman".
Warner Bros. Pictures

Aber es ist wohl nicht nur selbstironisch, dass James Wan eine der wichtigsten Actionsequenzen des Films zu Lande, nämlich auf den Dächern einer italienischen Stadt, inszeniert – immerhin ein Küstenstädtchen, von dem aus es Arthur Curry danach nicht weit nach Hause hat.

Die Geschichte von Aquaman ist notdürftig an heutige Varianten alter Heldenvorstellungen angepasst: Arthur ist ja halb Mensch, halb Atlantiker, also ein "half breed". Sein sehr apollinisch aussehender Halbbruder Orm meint, ihm deswegen etwas vorauszuhaben, und tut alles, um ihm die Königswürde vorzuenthalten. Da hat Orm allerdings die Rechnung ohne den Dreizack gemacht und auch ohne Prinzessin Mera (Amber Heard), die sich flugs auf die Seite von Aquaman schlägt.

Wan lässt die Meere mit allerlei computergeneriertem Fabelgetier befüllen. Für eine Mythologie, die es mit dem Sehnsuchtspotenzial aufnehmen könnte, das an Atlantis hängt, reichen die grobschlächtigen Dialoge nicht. Jason Momoa, der Darsteller von Aquaman, ist in der populären Kultur vor allem als Khal Drogo bekannt, jener Barbarenkönig aus dem Volk der Dothraki, der in Game of Thrones drei Drachen den Weg bereitet. In dem Weltraum unter der Wasseroberfläche werden nun auch allerlei Drachen geritten, aber die vielen halb garen Ideen in Aquaman reisen in dem Element, aus dem auch wir selbst zu großen Teilen bestehen, immer nur bis zum Brustmuskel, niemals aber bis zum Kopf. (Bert Rebhandl, 20.12.2018)