Jeder andere Mensch wäre wohl schon explodiert. Sie aber sitzt tiefenentspannt auf ihrem Richterstuhl, während die ihr gegenübersitzenden Angeklagten seit Wochen versuchen, ihr mit immer denselben verschrobenen Parolen aus ihrer Parallelwelt den Nerv zu ziehen.

Die Richterin im Grazer Staatsverweigerer-Prozess wird von den 14 Angeklagten – als Repräsentantin der von ihnen nicht anerkannten Republik Österreich – nicht wirklich ernst genommen. Was sich spätestens beim Urteil ändern dürfte.

Die Frauen und Männer aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten – vom Unternehmer über den Ex-Polizisten bis zur Kindergärtnerin –, die hier in Graz vor Gericht und zum Teil in U-Haft sitzen, leben in der Fantasie eines eigenen Staates mit eigenen Gesetzen und Grundbüchern, sogar eigenen Kfz-Schildern.

Anklage ist "Beweis für Faschismus"

Dass sie sich vor einem Geschworenengericht verantworten müssen, weil sie sich damit laut Anklage der Bildung einer staatsfeindlichen Organisation schuldig gemacht haben, ist für sie nur Beweis ihrer These, dass "in Österreich Faschismus herrscht". Das beklagt die stets in ein altrosa Langarmshirt gekleidete oststeirische "Präsidentin" und Hauptangeklagte.

In der mittwöchigen Verhandlung ließ die Richterin ein Video ablaufen, in dem die "Präsidentin" während einer internen Sitzung in Niederösterreich einige Details über ihren neuen "Staat" verriet, den sie nach der Militär-Übergangsregierung, wozu sie das Bundesheer verpflichten werde, gründen wollte.

Da ist etwa die Sache mit dem Grundbuch. "Ist zum Vergessen, das ist illegal", sagt die "Präsidentin", "wir haben ein eigenes Landbuch. Für 100 Euro gibt's dafür eine Urkunde." Das Geld werde für die eigene Währung, fürs Gelddrucken, verwendet.

"Wirkliche Menschen aus Fleisch und Blut"

Die Staatenbündler – die Justiz geht von mehreren tausend Sympathisanten in Österreich aus – sind nach Eigendefinition die "wirklichen Menschen aus Fleisch und Blut". Alle anderen sind nur Personen nach dem Handelsrecht. Seine Person sei "beschlagnahmt" worden, präzisiert der besonders mitteilungsbedürftige angeklagte Kinnbartträger mit deutschem Akzent. Die vom Gericht gewünschte Person sei hier im Gericht eigentlich nicht anwesend. Er wolle nur als Diplomat und Botschafter des Staatenbundes angesprochen werden. Das sei seine wahre Identität.

Der Staat Österreich sei ja nur ein Geschäftsmodell, eine GesmbH, und verwalte Milliarden an Vermögen, das allen Österreichern gehöre. Deshalb brauche man ja auch keinen Kredit zurückzuzahlen, weil das Geld ohnehin Eigentum jedes Staatsbürgers sei. Aber weil das die heimischen Banken einfach nicht verstehen wollen, kam es auch zu Exekutionen, was in den Augen der Angeklagten glatte Überfälle, ja Raubzüge gewesen sind.

Und jene, die für die Exekutionen zuständig sind, kamen nun in den Zeugenstand, der Präsident des Oberlandesgerichts und weitere Gerichtsbeamte. Sie hatten vom Staatenbund-"Botschafter" Briefe mit der Androhung von Strafzahlungen erhalten. 400 derartige Briefe hatten die Gerichte 2017 allein in der Steiermark abzuarbeiten. Es geht dem Spitzbartträger um die Legitimation der Organe: "Wenn sie sich nicht ausweisen, dann müssen sie 25.000 Euro zahlen. Ich bin immer zu Gesprächen bereit, aber auf Augenhöhe", sagt der "Botschafter". Die "Präsidentin" schüttelt es derweil immer wieder vor Lachen.

Ein Teil der Angeklagten kooperiert

Mittlerweile beginnt sich die Truppe zu teilen. Einige kooperieren bereits mit dem Gericht, der harte Kern aber macht unverdrossen weiter und keilt in Verhandlungspausen draußen auf den Gerichtsgängen sogar nach neuen Mitgliedern, wie zwei betroffene Burschen als Zeugen aussagen.

Gegen Schluss beginnt die "Präsidentin" ein wenig zu philosophieren: "In der Kaiserzeit waren Menschen noch Bürger und Menschen ... das Völkerrecht ... jetzt gesellschaftlich gesehen ... ein Kasperltheater ... alles nur Illusion." Fortsetzung im Jänner. (Walter Müller, 19.12.2018)