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Polens Premier Mateusz Morawiecki gibt sich neuerdings betont proeuropäisch.

Foto: Reuters / Francois Lenoir

"Wir sind das schlagende Herz Europas", ruft Polens Premier Mateusz Morawiecki den überraschten Mitgliedern der nationalpopulistischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zu. Bislang war die EU für die PiS-Ideologen nur eine "imaginäre Gemeinschaft". Mit den EU-Zuschüssen habe Polen gerade einmal die "Bürgersteige ausbessern" können. Nun also die große Wende? Soll vor den EU-Wahlen im Mai 2019 die Tonlage von EU-kritisch zu EU-freundlich geändert werden?

Da die meisten Polen EU-begeistert sind, hören sie diese "frohe Botschaft" der PiS nur allzu gern. Doch liberale wie linke Oppositionelle im Land vermuten etwas anderes: Der Kurswechsel könnte auf vorgezogene Parlamentswahlen im März 2019 hindeuten. Bei planmäßig im Herbst abgehaltenen Wahlen, so die Überlegung, könnte die EU-skeptische PiS viele Stimmen verlieren, sollten die Wähler ihr den plötzlichen Schwenk hin zu einer proeuropäischen Rhetorik dann nicht mehr abkaufen.

Unbequeme Themen

Auch der Brexit im März 2019 könnte für die PiS negative Folgen haben, sollten all die hämischen PiS-Kommentare zu angeblich unfähigen "Eurokraten in Brüssel" sowie das Rechtsstaatlichkeitsverfahren gegen Polens Regierung gemäß Artikel 7 des EU-Vertrags erneut aufs Tapet kommen. Angeblich plant die PiS keinen "Polexit", doch viele Oppositionspolitiker sind sich da nicht so sicher.

In jedem Fall würden die EU-Wahlen nur zwei Monate nach dem Brexit Signalwirkung für die anschließenden nationalen Wahlen in Polen haben. Es sei denn, es kommt eben zu vorgezogenen Neuwahlen. Polens Präsident Andrzej Duda könnte den Sejm, das polnische Abgeordnetenhaus, vorzeitig auflösen, wenn es den Haushalt für das nächste Jahr nicht rechtzeitig verabschiedet. Auf genau diese Situation steuert das politische Polen gerade zu. Denn das bereits im September von der Regierung im Sejm eingereichte Budgetgesetz dümpelt noch immer in einem Fachausschuss vor sich hin. Die Abgeordneten gehen nun aber allesamt in die Weihnachtsferien. Die nächste reguläre Sejm-Sitzung ist erst für den 24. Jänner anberaumt.

Die Zeit wird knapp

Bis dahin geschieht nichts. Dann aber müssten die Abgeordneten sich sputen und das Gesetz innerhalb von drei Tagen verabschieden, sonst könnte Duda die Wahlperiode verkürzen. Auch der Senat, die zweite Kammer des Parlaments, muss in diesen drei Tagen über das Budgetgesetz abstimmen. Viel Zeit für Nachbesserungen bleibt da nicht mehr.

Tatsächlich, so berichten die linksliberale "Gazeta Wyborcza" und die konservative "Rzeczpospolita", gibt es in der PiS entschiedene Befürworter für vorgezogene Wahlen. Auch, weil für März ein weiteres Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) erwartet wird, das Teile des umfassenden Umbaus des polnischen Gerichtssystems für unvereinbar mit EU-Recht erklären könnte.

Für Justizminister Zbigniew Ziobro, der auch Generalstaatsanwalt Polens ist, könnte sich das zu einer Katastrophe auswachsen, sollten die Wahlen erst danach stattfinden. Noch aber scheint sich PiS-Chef Jarosław Kaczyński alle Optionen offenhalten zu wollen. Die Entscheidung soll Mitte Jänner fallen, behaupten politische Beobachter. In der Zwischenzeit – und sowieso bis zu den Europawahlen – soll sich die PiS ein EU-freundliches Image geben. (Gabriele Lesser aus Warschau, 21.12.2018)