Ein Demonstrant bei Protesten in Paris.

Foto: APA/ALAIN JOCARD

Paris – Die Apotheke L'Étoile: verwüstet. Die Brasserie de La Belle Armée: ausgebrannt. Die Bankagentur LCL: zertrümmert. So ist es im Viertel um den Pariser Triumphbogen während der bewegten Samstage dieses Monats vielen Geschäften zugegangen. Ausgerechnet zur Weihnachtszeit mussten sich die Boutiquen und Cafés der Champs-Élysées hinter Bretterwänden verschanzen, statt die wichtigsten Umsätze des Jahres zu erzielen.

Allein im Pariser Stadtzentrum gehen die Schäden der Gelbwesten-Proteste in die Millionen. Sind sie bezifferbar, zahlt der Staat: Bei ihm können sich die Versicherungen laut einem sehr französischen Gesetz schadlos halten, wenn "durch bewaffnete oder unbewaffnete Massenaufläufe offene Gewalt gegen Personen oder Güter ausgeübt wird".

Einbußen im Tourismus

Oft sind Schäden nur schwer festzumachen. So etwa wenn die großen Einkaufhäuser wie Galeries Lafayette oder Printemps auch am Samstagnachmittag entweder geschlossen oder leer bleiben. Oder wenn verängstigte Touristen ihre Paris-Reisen absagen. Vor allem die Vier- und Fünfsternhotels in der Nähe der Pariser Prachtavenue verzeichneten an gewissen Tagen bis zu 50 Prozent Annullierungen. In Montmartre erlebten die Bistros hingegen einen Großandrang: Offenbar wichen viele Pariser auf den Stadthügel aus, der vor den Protesten relativ sicher war.

Auch Provinzstädte wie Bordeaux oder Toulouse wurden heimgesucht. Laut dem Branchenverband CPME leiden landesweit 62 Prozent der Klein- und mittleren Unternehmen unter den – teils anhaltenden – Blockaden auf den Kreisverkehren und vor Einkaufszentren. Im Languedoc-Roussillon am Mittelmeer bleiben die Sperren wirksam. Früchtelieferungen aus Spanien werden auf der Autobahn A9 immer wieder aufgehalten. Sowohl die französische Bahn SNCF wie der Autobahnbetreiber Vinci schätzen ihre eigenen Schäden auf "mehrere Dutzend Millionen Euro".

Bei Vinci kommen dazu auch große Schäden an den Mautstationen. Einige wurden in Brand gesteckt. Die Automobilisten beklagten sich nicht und fuhren wochenlang durch die verkohlten Schranken, ohne "péage", die Mautgebühr, zu entrichten.

Wirtschaftlicher Dämpfer

Und die Landeskonjunktur? Die Banque de France und das Statistikamt Insee schätzen den protestbedingten Rückgang der Wirtschaftsleistung auf 0,2 Prozent im vierten Quartal. Ein Dämpfer. Wirtschaftsminister Bruno Lemaire übertrieb wohl, als er die Konsequenzen der Gelbwesten-Proteste als "Katastrophe" für Handel und Wirtschaft bezeichnete, um Stimmung gegen die Gelbwesten zu machen. Viele Franzosen verlegten ihre Weihnachtskäufe einfach in das Internet, um die unsicheren Stadtzentren meiden zu können. Die digitalen Anbieter von Konsumprodukten verzeichnen daher Rekordbestellungen.

Katastrophal sind die Folgen der Krise für Präsident Emmanuel Macron: Sein entschlossener Reformkurs wurde ausgebremst. Statt die Staatsausgaben zu senken, musste er tief ins Portemonnaie greifen, um die Aufständischen zu beruhigen. Der Verzicht auf die Benzinsteuererhöhung kostet vier Milliarden Euro, die Erhöhung des Mindestlohnes und die Steuerbefreiung für Überstunden und Kleinpensionen mindestens zehn Milliarden.

Das Haushaltdefizit dürfte die EU-Vorgaben sprengen und laut divergierender Regierungsangaben auf 3,2 oder 3,4 Prozent steigen. EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici hat zwar bereits grünes Licht dafür gegeben. Die Staatsschuld von über 2300 Milliarden Euro könnte allerdings die psychologisch wichtige 100-Prozent-Schwelle (des Bruttoinlandproduktes) übersteigen. Die Zinsen für französische Anleihen steigen bereits leicht. Das könnte den Staat noch tiefer in die Schuldenfalle treiben – und Macron bald zu neuen Steuererhöhungen zwingen. Also genau das, was die Gelbwesten erst auf die Straße getrieben hatte. Ein Teufelskreis. (brae, 21.12.2018)