Wien – Jerome Powell, Vorsitzender der US-Notenbank Fed, erwies sich als Börsenschreck. Wohl war die Entscheidung, den Leitzins um einen Viertelprozentpunkt auf die Spanne von 2,25 bis 2,5 Prozent anzuheben, erwartet worden, Powells Zinsausblick für das kommende Jahr lag den Investoren aber doch schwer im Magen. Notierte der Dow Jones bis zum Zinsentscheid noch im positiven Bereich, rutschte er am Donnerstag ab und fuhr ein Minus von zwei Prozent ein. Der S&P 500 und der Nasdaq Composite gaben ebenfalls deutlich nach, jeweils um rund 1,6 Prozent. Auch Europas Börsen kamen am Donnerstag nicht aus der Verlustzone heraus, und an der Wall Street setzten Investoren die Flucht aus Aktien fort.

"Anleger hätten sich eine größere Zurückhaltung der Fed bei den Zinserhöhungsplänen für 2019 gewünscht, weil die Weltwirtschaft immer mehr schwächelt", sagte Stratege Salman Ahmed von Lombard Odier. Mit seinem Ausblick auf die Geldpolitik schüre der Fed-Chef die Furcht, dass die Notenbank die US-Wirtschaft abwürgt und den Börsen weitere Verluste einbrockt, warnt Bucky Hellwig von BB&T.

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Der Zinsausblick von Jerome Powell kam bei Börsianern nicht gut an. Längst werden sie von Rezessionsängsten geplagt.
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Powell signalisierte für die USA nur noch zwei statt drei weitere Zinserhöhungen 2019. Er sagte ein US-Wirtschaftswachstum von 2,3 Prozent voraus. "Das Problem: Der Markt glaubt offensichtlich nicht an das Szenario der Fed", sagt Commerzbank-Analystin Esther Reichelt. Stattdessen hätten Anleger Rezessionsängste. Droht nun an der Wall Street ein "Bärenmarkt", also eine Phase längerfristig fallender Kurse? Viel fehlt nicht mehr. Ab einem Kursrückgang von einem Fünftel sprechen Börsianer von einem Bear Market. Derzeit liegen die US-Leitindizes Dow Jones, Nasdaq und S&P 500 zwischen 13 und 19 Prozent unter ihren jeweiligen Hochs.

Und noch ein Damoklesschwert schwebt über der Wall Street: nämlich die Annäherung der Renditen bei kurz- und langlaufenden Staatsanleihen. Zehnjährige Treasury-Bonds werfen mit knapp 2,8 Prozent derzeit nur wenig mehr ab als die zweijährigen, die bei 2,7 Prozent rentieren. Rutschen die Renditen der längerlaufenden Papiere unter diejenigen der Kurzläufer, sprechen Börsianer von einer "inversen Zinskurve". "Seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich diese Zinsstrukturkurve in den USA achtmal invertiert, und jedes Mal folgte darauf eine Rezession", sagt Analyst Jochen Stanzl vom Onlinebroker CMC Markets.

Das setzte dem Dollar zu, der Euro markierte ein Sechswochenhoch von 1,1485 Dollar, auch Gold legte zu. Zudem deckten sich Anleger mit deutschen Bundesanleihen ein. Die Rendite zehnjähriger Titel fiel auf ein Siebenmonatstief von 0,2 Prozent.

Unter den Einzelwerten hatten vor allem konjunkturabhängige Titel wie Thyssenkrupp und Finanzwerte wie die Deutsche Bank das Nachsehen. Auch Airbus sackte nach einem Medienbericht über drohende Ermittlungen der US-Justiz ab. Der Zeitung Le Monde zufolge droht dem Flugzeugbauer eine Milliardenstrafe.

Die Wiener Börse setzte ihre Talfahrt ungebremst fort. In schwacher Verfassung zeigen sich erneut Erste Group und RBI. Die zwei Banken standen bereits am Vortag wegen der Pläne der rumänischen Regierung zur Einführung einer Bankensteuer unter starkem Verkaufsdruck. Rückläufig zeigte sich auch Kapsch Trafficcom. Am Mittwoch war der Mautausrüster um fast ein Fünftel hochgesprungen, da das Unternehmen einen milliardenschweren Auftragserhalt zur Einhebung der deutschen Maut bekanntgegeben hatte. (red , 20.12.2018)