Alle warten darauf, dass Donald Trump eine Strategie aus dem Hut zaubert, die die direkte US-Präsenz in Syrien ersetzt.

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Als Donald Trump im Jänner 2017 amerikanischer Präsident wurde, brachte er das Versprechen mit, dass sich das militärische Engagement der USA in Syrien auf den Kampf gegen den "Islamischen Staat" (IS) beschränken würde. Kein IS, keine US-Truppen in Syrien. Das Assad-Regime war Trump, der bekanntlich kein Moralist ist, egal.

Aber je mehr Militärs in Trumps Beraterkreis Aufnahme fanden, desto stärker destillierte sich eine neue Syrien-Strategie heraus. Fast alle Syrien-Experten zeigten sich zuletzt sicher, dass Trump trotz aller Ankündigungen – es war ja schon einmal so weit – die US-Truppen in Syrien in absehbarer Zeit nicht abziehen würde. John Bolton, sein Nationaler Sicherheitsberater, sagte es am deutlichsten: Solange der Iran militärisches Personal in Syrien haben werde, so lange würden auch die USA dortbleiben.

Und nichts deutete in den vergangenen Tagen darauf hin, dass sich das so schnell ändern würde: auch wenn das Bemühen Trumps, die Türkei zu versöhnen, immer wieder deutlich wurde. Aber noch vor wenigen Tagen sprach Generalstabschef Joseph Dunford in Washington vom Aufbau einer 40.000 Mann starken lokalen "Border Security Force", einem Projekt, das erst am Anfang stehe. Dazu hätte es sogar mehr US-Soldaten und anderes Personal in Syrien gebraucht.

Und dann ist plötzlich alles anders. Der Sieg gegen den "Islamischen Staat" wurde zwar schon im Vorjahr verkündet, der IS hat sich seitdem sogar wieder etwas erholt. Aber der US-Präsident erklärt die amerikanische Rolle trotzdem genau jetzt für beendet. Seine Generäle ringen die Hände – und mit ihnen einige US-Partner im Nahen Osten.

Dilemma

Nun ist man beim üblichen Dilemma: Intervenieren die USA im Nahen Osten, gibt es Kritik, ziehen sie sich zurück, gibt es auch Kritik. Dieses Dilemma ist aber fast immer leicht aufzulösen: Es geht eben nicht um eine Momentaufnahme, sondern um die längerfristige Logik einer Politik. Eine Supermacht wie die USA kann schwerlich in ein Land hineinspazieren und es sich dann – ohne Absprache mit den Partnern, die von der Entscheidung betroffen sind – einfach anders überlegen.

Oder doch, sie können es, das zeigt Trump ja nun. Es ist ein interessantes Experiment. Eine der Forderungen an externe Akteure in Zusammenhang mit Syrien ist ja stets, sie mögen sich zurückziehen und ihre eigenen Interessen in Syrien aufgeben. Die USA sind nun die Ersten, die das tun.

Aber heißt das auch, dass die anderen dem folgen? Der US-Rückzug wird in Ankara bejubelt, weil er als Freibrief dafür gesehen wird, dass die Türkei ihre Kampagne gegen die PKK-nahen syrischen Kurden auch nach Nordostsyrien tragen kann. Das Gegenteil von Rückzug. Und dass sich die politische Führung in Teheran, wo die Hardliner im Aufwind sind, zusammensetzt und sagt "Da die USA abziehen, wird es auch für uns Zeit", das ist wirklich nicht zu erwarten.

Der wachsende russische Einfluss in der ganzen Region scheint Trump egal zu sein. Aber die meisten Beobachter halten es für völlig ausgeschlossen, dass der US-Präsident mit Syrien auch seine Anti-Iran-Politik aufgibt. Alle warten nun darauf, dass er eine Strategie aus dem Hut zaubert, die die direkte US-Präsenz in Syrien ersetzt. Vielleicht wird es aber auch nur so sein, dass es sich Donald Trump noch einmal anders überlegt, morgen oder übermorgen. (Gudrun Harrer, 20.12.2018)