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Xi Jinping und Donald Trump reichen sich beim Gipfel Anfang 2018 die Hände.

Foto: REUTERS/Damir Sagolj/File Phot

2018 hat die neue und zunehmend unberechenbare Dynamik der chinesisch-amerikanischen Beziehungen weite Teile Asiens verunsichert. Vor einem Jahr kehrte US-Präsident Donald Trump von seinem besonders pompösen "Staatsbesuch plus" aus Peking zurück, von dem China sich erhofft hatte, dass Trumps antichinesische Wahlkampfrhetorik danach endlich der Vergangenheit angehören würde. Zwölf Monate später sind China und die USA in einen Handelskrieg verstrickt, und die Regierung Trump hat das "strategische Engagement" der USA in China durch "strategische Konkurrenz" ersetzt.

Hinzu kommt, dass die chinesischen, europäischen und US-Volkswirtschaften vor einem Jahr boomten. Heute herrscht große Verunsicherung an den Finanzmärkten, in China und Europa verlangsamt sich das Wachstum, und in Amerika beginnen die höheren Zinsen Wirkung zu entfalten. Die Ungewissheit über die zukünftige Entwicklung der Atomverhandlungen mit Nordkorea trübt das Bild ebenfalls.

Komplexe Aussichten

Wie sind also die Aussichten für die Beziehungen zwischen den USA und China im Jahr 2019? Es ist wahrscheinlich, dass es bis März eine Einigung über den Abbau des bilateralen Handelsdefizits und über die Importentscheidungen geben wird, die China diesbezüglich treffen wird. Eine Einigung über Zollsenkungen ist bis dahin ebenfalls möglich, wobei die Komplexität des Themas den anvisierten Zeitraum verlängern könnte. Die Reform des sogenannten erzwungenen Technologietransfers sollte relativ unkompliziert sein. Nichtsdestotrotz ist eine Reform etwas anderes als die Art und Weise, wie vertragliche Vereinbarungen in der Praxis ausgelegt werden könnten.

Der Schutz geistigen Eigentums dagegen ist äußerst problematisch. Frühere Vereinbarungen, die unter der Regierung von Präsident Barack Obama getroffen wurden, könnten erneut bestätigt werden. Ihre Durchsetzung oder das gerichtliche Vorgehen bei Verstößen gegen Recht an geistigem Eigentum bleibt aber ein hoffnungsloses Unterfangen.

Auch US-Bedenken zu staatlichen Subventionen im Rahmen der "Made in China 2025"-Strategie des Landes werden sich kaum ausräumen lassen. Tatsache ist, dass alle Länder ihren einheimischen Technologiebranchen ein Maß an staatlicher Unterstützung zukommen lassen, auch wenn dieses in China am höchsten ist. Selbst wenn wir für ein bestimmtes Unternehmen ein Höchstmaß an staatlicher Unterstützung vorschreiben würden, wäre die Einhaltung schwer zu beurteilen.

Zollfreiheit

China könnte der übrigen internationalen Gemeinschaft auch Zollreformen anbieten und sich zu dem drastischen Schritt entschließen, nicht nur mit den USA, sondern mit allen Mitgliedstaa-ten der Welthandelsorganisation Zollfreiheit zu vereinbaren. Auf diese Weise böte sich China eine nahezu unwiderstehliche Gelegenheit, sich als Verfechter des globalen Freihandels zu positionieren und dem Trend zum Protektionismus Einhalt zu gebieten. Im Zuge einer solchen Wende könnte China die Mitgliedstaaten des transpazifischen Freihandelsabkommens TPP um einen Beitritt ersuchen, um die USA (die als eine der ersten Amtshandlungen Trumps aus dem Freihandelsabkommen ausgestiegen sind) in der Region Asien-Pazifik zu überflügeln. China kann bemerkenswert leichtfüßig sein, wenn es eine politische Bresche und Marktöffnung entdeckt. Die Verhandlungen wären schwierig, aber die Vorbehalte Japans gegenüber dem Beitritt Chinas zum TPP haben sich seit dem jüngsten Besuch von Ministerpräsident Shinzo Abe in Peking verringert.

Angesichts der zentralen strategischen Herausforderungen im Verhältnis zu den USA dürfte China 2019 in der allgemeinen Außen- und Sicherheitspolitik bestrebt sein, Konflikte in seinen Beziehungen zu anderen Ländern abzubauen. In den Beziehungen zu Japan gibt es bereits eine gewisse Normalisierung. Jüngste Daten der japanischen Küstenwache deuten auf eine deutliche Verringerung des chinesischen Eindringens in das Gebiet der Senkaku-/ Diaoyu-Inseln im Ostchinesischen Meer hin.

Auch die Spannungen mit dem Verband Südostasiatischer Nationen wegen des Südchinesischen Meeres will China durch die beschleunigte Verhandlung eines "Verhaltenskodex" abbauen. Zudem dürfte China nach dem bilateralen Gipfel in Wuhan im April ein entspannteres Verhältnis zu Indien haben. Und China könnte beginnen, seine Haltung gegenüber Taiwan zu mäßigen, angesichts der Wahlschlappe, die die Demokratische Fortschrittspartei der taiwanesischen Präsidentin Tsai Ing-wen, die die Unabhängigkeit befürwortet, bei den Lokal- und Regionalwahlen im vergangenen Monat erlitten hat. Dies würde sich natürlich radikal ändern, wenn die USA mit weiteren bedeutenden Waffenverkäufen an Taiwan fortfahren, was wahrscheinlich ist.

Neue Seidenstraße

In ganz Eurasien wird China sein Großprojekt "Neue Seidenstraße" weiter umsetzen. In den letzten Monaten hat die Initiative in China allerdings für weniger politische Furore gesorgt. Unter chinesischen Beamten gibt es bereits Diskussionen über die Überarbeitung bestimmter Modalitäten, nachdem Sri Lankas Übergabe des Hambantota-Hafens an China negative Reaktionen ausgelöst und Bedenken hinsichtlich der langfristigen Finanzierbarkeit der Neuen Seidenstraße geweckt hat. 2019 könnten triumphale Meldungen zur Seidenstraße daher weniger häufig zu hören sein.

Darüber hinaus dürfte China seine Rolle innerhalb der Vereinten Nationen und bestehenden Bretton-Woods-Institutionen festigen und ausbauen, anstatt auf neue Institutionen des internationalen politischen Handelns zu setzen. Während China versucht, seine Beziehungen zu den USA wieder zu stabilisieren und Spannungen zu anderen Ländern abzubauen, wird seine Führung das Jahr 2019 wahrscheinlich dazu nutzen, sich ein fundiertes Urteil über die Zukunft der US-Politik zu bilden: die Folgen der Mueller-Untersuchung für Trump und seine Regierung, und ob ein neuer Präsident im Jahr 2020 (oder früher) die neue US-Strategie in irgendeiner Weise ändern würde. Obwohl sie bereits zu dem Schluss gelangt sind, dass sich die Haltung Amerikas gegenüber China tiefgreifend verändert hat, sind sie noch unsicher, welche Form diese Veränderung genau annehmen wird. (Kevin Rudd, aus dem Englischen: S. Pontow, Copyright: Project Syndicate, 23.12.2018)