Wien – Was macht eine bestimmte Spezies zur "Art des Jahres", wie sie von Experten jedes Jahr wieder gekürt werden? Verschiedene Faktoren kommen dafür in Betracht: Sie kann ein übersehenes "Mauerblümchen" sein, das in seiner Bedeutung verkannt wurde, sie kann stellvertretend für eine ökologische Entwicklung unserer Tage stehen – oder sie braucht die Aufmerksamkeit, weil sie gefährdet ist.

"Ihr" Jahr ist dann eine Zeit, in der verstärkte Lobbyarbeit für diese Spezies betrieben werden kann – nicht zuletzt, um Spenden für Schutzmaßnahmen zu sammeln. Zugleich sollen Missstände aufgeklärt und die Bevölkerung und politische Entscheidungsträger sensibilisiert werden.

Es ist nicht die Nachtigall, es ist die Lerche.
Foto: APA/BIRDLIFE ÖSTERREICH/M DVORAK

Der Vogel des Jahres ist ein gutes Beispiel: 20 Jahre nach der ersten Wahl ist es 2019 erneut die Feldlerche (Alauda arvensis), weil sich ihr Rückgang fortgesetzt hat. Verantwortlich dafür sei intensivere Landwirtschaft mit Pestiziden und weniger Brachflächen – und die sei unter anderem Resultat der EU-Agrarförderung. Laut Birdlife Österreich sind die Bestände der Lerche in den vergangenen Jahrzehnten auf die Hälfte geschrumpft.

Durch die intensive Landwirtschaft können die Vögel statt dreimal im Jahr wie früher oft nur einmal pro Saison Nachwuchs aufziehen. Es fehle an der Auflockerung der Landschaft durch Brachen und extensiv genutztes Grünland. Die Vogelschützer fordern eine Änderung der Agrarpolitik, um die Lerchen und andere Vögel wie Rebhuhn und Grauammer zu schützen.

Optisch ist die Wildkatze gar nicht so leicht von einem Stubentiger zu unterscheiden.
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Das Tier des Jahres gibt es in Österreich offiziell gar nicht mehr, es gilt seit der Roten Liste aus dem Jahr 1989 als "ausgestorben, ausgerottet oder verschollen" – nämlich die Europäische Wildkatze (Felis silvestris silvestris). Neue Untersuchungen machen jedoch Hoffnung, dass es hierzulande doch noch eine kleine Wildkatzenpopulation gibt, so der Naturschutzbund Österreich. Um sie zu fördern und zu schützen, habe man sie zum Tier des Jahres ernannt.

Im Gegensatz zur Hauskatze, die wahrscheinlich von den Römern aus Afrika eingeschleppt wurde, ist die Wildkatze eine "echte Europäerin". Die Bauern und Jäger hielten sie allerdings für schädlich und verfolgten sie. Dies war eine Fehleinschätzung, denn sie ist wichtig für das Ökosystem Wald, so die Experten. Sicher von Hauskatzen könne man sie nur durch Erbgutanalysen unterscheiden, ein typisches Merkmal der Wildkatze sei aber ihr buschiger Schwanz mit schwarzen, nicht verbundenen Ringen. Überleben könne sie nur in großen intakten Wäldern mit kleinen Lichtungen, Wiesen und reichlich Gebüsch. Ob dieser hohen Ansprüche gilt sie als "Leitart des Naturschutzes".

Deutlich weniger bekannt als der Feuersalamander, aber genauso farbenprächtig: der Bergmolch.
Foto: Egon Heiss

Ein "sympathischer Wasserdrachen" sei er, der Lurch des Jahres, so die Österreichische Gesellschaft für Herpetologie (ÖGH). Der Bergmolch (Ichthyosaura alpestris) ist außergewöhnlich farbenfroh, vor allem die Männchen in der Paarungszeit mit ihrem orangeroten Bauch, einer blauen Körperfärbung und Leopardenlook aus schwarzen Flecken auf einem silbrig weißen Seitenband, das unten hellblau umrahmt ist.

Der Bergmolch lebt und laicht in Tümpeln, Teichen, wassergefüllten Wagenspuren und Straßengräben. Die Wahl des waldreichen Mittelgebirglers soll auf den generellen Rückgang der Amphibien aufmerksam machen. Seine Lebensräume seien durch den Eintrag von Umweltgiften und Dünger bedroht, und die Laichgewässer werden von Menschen oft einfach zugeschüttet. Bei der Suche und Wanderung dorthin endet das Drachenleben außerdem oft bei einer Straßenquerung unter einem Autoreifen.

Geschickt getarnt.
Foto: Sarefo, CC BY-SA 4.0

Eine Verkleidungskünstlerin und Schauspielerin wurde von 83 Spinnenkundlern unter Leitung des Naturhistorischen Museums Wien zur Spinne des Jahres gekürt: Die Ameisenspringspinne (Myrmarachne formicaria) sieht nicht nur so ähnlich aus wie eine Ameise, sie benimmt sich auch so. Durch ihre Mimikry entgeht sie meist Angriffen von Vögeln und Wespen, weil Ameisen von diesen ob ihrer Aggressivität gemieden werden.

Anstatt ruckartig wie ihre Verwandten herumzuhüpfen, ahmt die Spinne den geschmeidigeren Ameisenlaufstil nach. Außerdem benutzt sie nur drei ihrer vier Beinpaare zur Fortbewegung (ihre Vorbilder, die Ameisen haben schließlich nur drei Beinpaare), das Vorderpaar trägt sie erhoben, gleich den Antennen einer Ameise, und verdeckt damit zusätzlich ihre großen vorderen Mittelaugen, die sie als Spinne verraten könnten. Diese Spinne kommt in Österreich häufig vor, um Sichtungsberichte wird auf naturbeobachtung.at gebeten.

Sieht martialisch aus, sticht aber kaum jemals zu: die Mauerbiene.
Foto: APA/NATURSCHUTZBUND/PETER TRAUB

Fast alle Blütenpflanzen hierzulande kennt die Rostrote Mauerbiene (Osmia bicornis), denn sie sammelt nach Belieben von da und dort ihre Pollen und trägt damit bei vielen verschiedenen Arten zur Bestäubung bei. Sie spielt daher bei der Verbreitung der Wildpflanzen eine große Rolle und sei wichtig für die Landwirtschaft und den Gartenbau.

Das wollen der Naturschutzbund und die Österreichische Entomologische Gesellschaft mit der Ernennung zum Insekt des Jahres würdigen. Das rund einen Zentimeter große Tier baut sein Nest in Lehmwänden oder Totholz – aber auch in Türschlössern und sogar in einer Holzflöte wurde sie schon gefunden. Die Nähe zu Menschen sei für uns aber ungefährlich, denn die Mauerbienen "sind nicht zum Stechen aufgelegt", so die Insektenkundler.

In heimischen Fließgewässern einst fast omnipräsent: der Edelkrebs.
Foto: APA/dpa

Von der Pest bedroht ist das Wassertier des Jahres, erklärt der Österreichische Fischereiverband und Partnerorganisationen: Der Edelkrebs (Astacus astacus) war hierzulande einst häufig, doch seine Gewässer wurden verbaut, verunreinigt, und mit Konkurrenten aus Nordamerika besetzt, die noch dazu eine tödliche Krankheit mitbrachten: die Krebspest.

Dadurch können die bis zu zwanzig Zentimeter großen, rötlich braunen Krebse ihre Rolle als "Gesundheitspolizei" nicht mehr wahrnehmen, indem sie verendete Tiere fressen. Daneben stehen verrottete Blätter, Insekten und Fische auf ihrem Speisezettel. Um die Krankheit nicht noch weiter auszubreiten, sei es unbedingt erforderlich, Angelgeräte, Watschuhe, -Hosen, Boote und anderes Gerät nach dem Einsatz sorgfältig zu desinfizieren und zu trocknen, bevor es in anderen Gewässern zum Einsatz kommt, ermahnt der Verband seine Fischer.

Mit diesem Gehörn würde sie selbst bei einem Perchtenlauf beeindrucken: die Pinzgauerziege.
Foto: Arche Austria

Zum Nutztier des Jahres ernannte Arche Austria die braun-schwarze Pinzgauerziege. Ihr Bestand sei hierzulande mit rund 1.000 Tieren extrem klein, die Rasse gilt daher als hochgefährdet. Die wenigen Bauern, die sie noch züchten, halten die Tiere, um von ihnen Fleisch und Milch zu gewinnen, und bringen sie zur Landschaftspflege auf die Almen. Dort fressen die Ziegen, was die Kühe stehen lassen: Farne, Rinde, Enzian, Wacholder, Disteln sowie die Blätter von Him- und Brombeeren.

Goldfische sollten stets in Gefangenschaft bleiben – aber bitteschön in einem größeren Aquarium.
Foto: APA/Jäger

Alles andere als nützlich sei in den heimischen Gewässern der Goldfisch (Carassius auratus), der deshalb vom Naturschutzbund Österreich zum Eindringling (Neozoon) des Jahres 2019 ernannt wurde. Das aus China stammende Haustier ohne direkten Nutzen könne innerhalb kürzester Zeit erheblichen Schaden in Ökosystemen bewirken, indem es die Eier seltener Amphibien frisst, Wasser-Säuberer wie die Wasserflöhe dezimiert und andere Fische verdrängt. Man solle sie daher nie freisetzen, so die Experten, dies gelte nicht nur für natürliche Gewässer und Staubecken, sondern auch für den eigenen Gartenteich.

Derzeit nicht aktiv: die Kleine Hufeisennase.
Foto: W. Forstmeier

Den Titel Fledermaus des Jahres trägt die Kleine Hufeisennase (Rhinolophus hipposideros) schon heuer, nimmt ihn aber dank Koordinationsstelle für Fledermausschutz und -forschung in Österreich (KFFÖ) ins neue Jahr mit. Sie wiegt lediglich vier bis sieben Gramm, und hält seit November in Höhlen, Stollen und Kellern Winterschlaf, der bis März anhalten wird.

Danach wird sie Verstecke in Dachböden suchen, wo sie ihre Jungen aufzieht. Diese füttert sie mit Insekten, die sie in Wäldern, Gartenhecken und Streuobstwiesen erbeutet. Ihre Populationen wurden im vorigen Jahrhundert in vielen Gebieten Europas stark dezimiert, weil ihre Beute vergiftet und die Quartiere verbarrikadiert wurden, und man sie manchmal sogar direkt verfolgte.

Eine Schnecke von beeindruckender Größe und erfreulicher Nützlichkeit: der Tigerschnegel.
Foto: APA/dpa

Auch der Tigerschnegel (Limax maximus) genießt 2019 ein zweites Jahr den Ruhm als Weichtier des Jahres. Er ist zwar hierzulande recht verbreitet und zunehmend als "Haustier" beliebt, trotzdem aber vielen Menschen unbekannt. Der Titel soll ihm zu mehr Bekanntheit verhelfen, meinen der Naturschutzbund und die Malakologen (Weichtierexperten) der Universität Salzburg.

Der Tigerschnegel ist eine große Nacktschnecke, die Eier und Jungtiere einer ungeliebten Verwandten verzehrt, der Spanischen Wegschnecke. Diese Bioinvasorin hat sonst kaum Feinde und vermehrt sich daher massenhaft. Mit bis zu 20 Zentimetern ist der Tigerschnegel eine der größten Weichtiere Europas. Für Gärtner ist er keine Plage, da er außer anderen Schnecken und ihren Gelegen nur Pilze und Aas frisst. (red, APA, 31. 12. 2018)