Der Wiener Heldenplatz. Hier sprach Adolf Hitler nach dem "Anschluss" 1938.

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Andreas Mölzer, ein Publizist mit feinem Gespür für alles, was rechts ist, hat dieser Tage sein Buch zum 100-Jahr-Jubiläum der Republik vorgelegt und es Österreich – eine Provokation genannt. Provokant ist daran allerdings kaum etwas – allenfalls Mölzers deutschnationale Freunde mögen sich durch die Feststellung provoziert fühlen, dass die österreichische Nation "alles andere als eine 'Missgeburt' darstellt".

Zur Erinnerung: Vor 30 Jahren hat der damalige FPÖ-Chef Jörg Haider, der vielfach ideologische Anleihen bei Mölzer genommen hat, die österreichische Nation als "ideologische Missgeburt" bezeichnet. Tatsächlich war die Betonung, wenn nicht Erfindung der eigenständigen österreichischen Nation ein Anliegen der (vor Austrofaschismus und Hitlerdiktatur geflohenen) Exil-Linken. Im Inland wurde der Begriff erst nach 1945 mehrheitsfähig, nachdem sich herumgesprochen hatte, dass man so die Besatzungsmächte abschütteln konnte. Doch noch vor einer Generation gab es eine relevante Gruppe aus alten Weltkriegsteilnehmern und jungen Burschenschaftern, bei der man mit einer Ablehnung des Begriffs punkten konnte.

Heute ist die Gruppe der Deutschnationalen auf eine selbst im Hinblick auf die und von der FPÖ zu vernachlässigende Minderheit geschrumpft. In der aktuellen Market-Umfrage für den STANDARD bekennen sich nur drei Prozent der Befragten zu der Aussage "Österreich wäre besser dran, wenn es Teil Deutschlands wäre und von Berlin aus regiert würde". Freiheitliche Wähler denken in diesem Punkt nicht anders als der Rest der Bevölkerung.

Anschluss? Nein, danke! Im Umfrageergebnis mag die (auch medial vermittelte) Beobachtung mitschwingen, dass es in der deutschen Politik derzeit nicht besonders rund läuft und dass Deutschland insbesondere gröbere Probleme mit der Aufnahme von Flüchtlingen hat als Österreich. Aber das ist nur ein Teil der Erklärung.

Wahr ist ja auch: Österreich hat in den vergangenen sieben Jahrzehnten ein eigenständiges Selbstbewusstsein entwickelt. Mölzer mag recht damit haben, dass der Anschluss an Deutschland die eigentliche Staatsräson der Ersten Republik gewesen ist. In den ersten Jahren der Zweiten Republik war es umso mehr Staatsräson, eben nicht deutsch zu sein. Heute aber ist die Frage nicht mehr, wie sehr oder wenig deutsch man neben seinem Österreichbewusstsein ist, sondern wie sehr oder wie wenig europäisch man ist. (Conrad Seidl, 26.12.2018)