Die drei wahrscheinlichsten Koalitionsvarianten nach der kommenden Wien-Wahl, die regulär im Herbst 2020 stattfinden soll.

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Koalitionsvariante 1: Rot-Grün(-Neos)

Ob Rot-Grün wieder in die Verlängerung geht, hängt in erster Linie zunächst von den Grün-Wählern ab und der Frage: Schaffen es die Grünen überhaupt, eine Option als möglicher Partner für die SPÖ zu sein? 2015 erreichten die Wiener Grünen 11,8 Prozent, ein Minus von 0,8 Prozentpunkten im Vergleich zu 2010. Bei der Nationalratswahl 2017 halbierten sie sich in Wien auf 5,9 Prozent. Sollten die Grünen sich von dieser Talfahrt nicht erholen, steht es schlecht um Rot-Grün. Dann müsste ein dritter Partner ins Spiel kommen. Etwa die Neos.

Selbst wenn sich das Zahlenspiel ausgeht, wackelt der Fortbestand der Koalition. Die Grünen sind mit der Wahl von Birgit Hebein als Spitzenkandidatin nach links gerückt und haben jene zur Nummer eins gemacht, die SPÖ-Chef Michael Ludwig am weitesten entfernt ist.

Rot-Grün III hat als großen gemeinsamen Nenner, eine Alternative zu Türkis-Blau im Bund aufzuzeigen. Für die Grünen ist es die einzige Möglichkeit, bundespolitisch wahrgenommen zu werden. Auch die SPÖ fährt gut mit dem Kurs, die letzte Bastion gegen Türkis-Blau anzuführen. So stellt sich die Stadtregierung vehement gegen die Verschärfungen bei der Mindestsicherung oder demonstriert glaubwürdig an der Seite der Gewerkschaft gegen den Zwölfstundentag. Holt sich die SPÖ eine der Regierungsparteien des Bundes in die Stadt, ist dieses Engagement nicht mehr glaubwürdig.

Eine Fortführung der Koalition zieht eine weitere Begrünung der Stadt nach sich, eine Verkehrsberuhigung, den Ausbau der Radwege, Öffis und Bildungseinrichtungen. Die Neos als mögliche Königsmacher sind vielen rot-grünen Positionen nicht fern. Mit ihnen würde sich die Koalition mehr Transparenz ins Rathaus holen.

Koalitionsvariante 2: Rot-Türkis

SPÖ und ÖVP liebäugeln nach dem Ende der großen Koalition auf Bundesebene mit einer Neuauflage der Zusammenarbeit in Wien. Das letzte Mal gab es diese Konstellation in der Bundeshauptstadt von 1996 bis 2001, als der damalige Stadtchef Michael Häupl (SPÖ) nach der Wien-Wahl die absolute Mehrheit verloren hatte. Der Partner war für die SPÖ nicht billig und kostete zwei Ressorts: Planung und Zukunft sowie Kultur. Geht sich zahlenmäßig sowohl Rot-Grün als auch Rot-Türkis aus, wird die ÖVP diesmal eher billiger als im Jahr 1996 in die Koalition gehen müssen.

Die ÖVP unter Kanzleramtsminister Gernot Blümel wäre für die SPÖ der einfachere Partner bei Themen wie einer Ausweitung der lokalen Verbote. So können sich beide Parteichefs ein Alkoholverbot auch auf weiteren Plätzen vorstellen. Die neue grüne Spitze hingegen blockiert diesbezüglich: So kritisierte Birgit Hebein die erste Amtshandlung Ludwigs, das Alkoholverbot auf dem Praterstern, scharf. Autofahrer könnten in dieser Konstellation aufatmen. Die ÖVP gilt als die Autofahrerpartei der Stadt, Bürgermeister Michael Ludwig als jenem Teil der SPÖ zugetan, der dem motorisierten Verkehr nicht ganz abgeneigt ist. Eine Citymaut hätte noch weniger Chancen, als sie es jetzt mit Grün-Beteiligung hat. Auch ein gemeinsames Öffi-Jahresticket für die Ostregion ist unter Rot-Türkis unwahrscheinlich.

Die türkise Forderung nach Tourismuszonen könnte hingegen eine Chance haben. Zwar hält es Ludwig wie sein Vorgänger – also dass sich erst Wirtschaft und Gewerkschaft auf eine Umsetzung einigen müssten. Der größere Gegner der Sonntagsöffnung sind allerdings in Wien die Grünen.

Koalitionsvariante 3: Rot-Blau

Traditionen gibt es auch in Wien. Eine davon ist, dass die Wiener SPÖ eine Koalition mit der FPÖ ablehnt. Ein Parteitagsbeschluss verbietet das. Daran hält sich auch Michael Ludwig, wie er immer wieder betont. Doch was auf dem Papier steht, ist nicht in Stein gemeißelt, eine Zusammenarbeit müsste von der Parteibasis abgesegnet werden, dann ist alles möglich.

Mit Vizekanzler Heinz-Christian Strache konnte Ludwig schon am Neustifter Kirtag bei dem einen oder anderen weißen Spritzer schäkern. Inhaltlich treffen sich die beiden auf den ersten Blick kaum. Schließlich schießt die FPÖ regelmäßig gegen Ludwigs Team. Besonders Sozialstadtrat Peter Hacker hat es den Blauen angetan. Trotzdem gibt es auch Überschneidungen.

Die FPÖ schreibt sich in Wien das Thema Sicherheit auf die Fahne. Hier könnte sie mit Ludwig, dem dieses Thema ebenfalls am Herzen liegt und der die Agenden auch als Bürgermeister betreut, gute Übereinkünfte finden. Eine rot-blaue Regierung in Wien würde auf einen stärkeren Fokus auf eine Law-and-Order-Politik in der Stadt hinauslaufen. Mehr Verbote à la Alkverbot auf dem Praterstern oder Essverbot in der U-Bahn könnten anstehen.

Spannend könnte auch der Umgang mit gewalttätigen Ausschreitungen in der Schule werden – eines der wichtigsten Themen der Blauen in letzter Zeit. Ludwig kündigte bereits eine Soko Schule inklusive mobiler Einsatztrupps an. Auch hier könnte nachgeschärft werden.

Allerdings: Eine Regierungsbeteiligung wird für die FPÖ teuer. Viel könnte sie von der Wiener SPÖ nicht fordern. Der SPÖ-interne Widerstand gegen eine Koalition mit den Blauen ist noch zu stark, als dass diese große Eingeständnisse erwarten können. (Oona Kroisleitner, Rosa Winkler-Hermaden, 28.12.2018)