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Mit welchen Lärmemissionen ist zu rechnen? Inwiefern müssen Drohnenflüge auf Luftautobahnen gebündelt werden? Was sind die konkreten Schnittstellen zwischen Land und Luft?

Foto: Getty Images / Anton Novoderezhkin

Fliegende Würfelchen, 35 Zentimeter Kantenlänge, Hunderte an der Zahl, schweben leise surrend über den Köpfen der Zuschauer und bilden nun, nachdem ein leiser Nieselregen eingesetzt hat, so etwas wie eine schützende Dachmembran über dem Publikum.

Auch die Leinwand, auf der zum 100-Jahr-Jubiläum gerade Fritz Langs Monumentalepos "Metropolis" (1927) läuft, ist in Wahrheit nichts anderes als ein temporärer, schwerelos im nächtlichen Reigen hängender Drohnenschwarm, der bald wieder im Nichts verschwinden wird. Nach 145 Minuten ist Schluss. Der Film ist zu Ende, und der pixelige Parcours löst sich auf, um den Rückflug zur nächstgelegenen Ladestation anzutreten.

Das Projekt "The Permanently Temporary" wurde mit dem mit 10.000 Euro dotierten Superscape Award ausgezeichnet.
Foto: The Permanetly Temporary

Geht es nach der in Wien lebenden Architektin Viki Sándor, könnte diese vage Zukunftsskizze schon bald Realität sein. Erst kürzlich wurde ihr Projekt "The Permanently Temporary" mit dem mit 10.000 Euro dotierten Superscape Award ausgezeichnet.

Der Auslober Daniel Jelitzka, Geschäftsführer des Wiener Unternehmens JP Immobilien, will damit, wie er meint, auf die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung in der Bau- und Immobilienbranche hinweisen. Zwischen den Zeilen hört man den Zweifel heraus, ob unser städtisches Leben und Wohnen in Zukunft genauso von Ziegel und Beton umgeben sein wird wie bisher – oder ob an deren Stelle nicht vielleicht ganz andere vorherrschende Bausteine in den Vordergrund treten werden.

Kleine würfelige Drohnen, die mehrere Funktionen übernehmen und die mal Projektionsfläche, mal Witterungsschutz, mal Skulptur im öffentlichen Raum sind.
Foto: The Permanetly Temporary

"Bis heute nehmen wir Stadt vor allem als gebauten Raum wahr", sagt Sándor. "Doch die historisch gewachsene Stadt, wie wir sie in Europa vorfinden, kann kaum noch den steigenden Anforderungen gerecht werden. Der physische Raum muss dringend entlastet werden."

Eine Möglichkeit, dies zu tun, wäre der Einsatz temporärer Bausteine, die je nach Bedarf in Position gebracht und wieder entfernt werden könnten. Eine solche schwerkraftunabhängige Architektur, meint die 28-jährige ungarische Architektin, könnte dichte, denkmalgeschützte Stadtkerne um mobile Elemente perfekt ergänzen.

Sándors Antwort auf diese utopische Fragestellung besteht aus kleinen würfeligen Drohnen, die mehrere Funktionen übernehmen und die mal Projektionsfläche, mal Witterungsschutz, mal Skulptur im öffentlichen Raum sind.

Vorbild dafür ist ein Forschungsprojekt an der ETH Zürich, das mit genau derart dimensionierten Drohnen experimentiert und untersucht, wie nah und wie schwarmähnlich die unbemannten Objekte im Kollektiv überhaupt flugfähig sind.

Mit ein paar Tausend Drohnen könnte Sándor für ein paar Stunden die abenteuerlichsten Kuppelschalen konstruieren. Allein bis dahin sind noch viele technologische und aeronautische Hürden zu nehmen.

Viele offene Fragen

"Die mediale Diskussion um Drohnen dreht sich heute vor allem darum, was passieren kann, wenn die Drohne nicht funktioniert", erklärt Katja Schechtner, Advisor for Innovation and Technology bei der OECD in Paris. "Dann ist von Unfällen, Abstürzen und Cyber-Hacking die Rede. Doch viel wichtiger wäre es, sich darauf zu konzentrieren, welche Maßnahmen getroffen werden müssen, damit der Einsatz von Drohnen sinnvoll und intelligent Anwendung finden kann – sei das technisch, ökologisch, logistisch, stadtplanerisch oder in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext betrachtet."

Foto: The Permanetly Temporary

Mit welchen Lärmemissionen ist zu rechnen? Inwiefern müssen Drohnenflüge auf Luftautobahnen gebündelt werden? Was sind die konkreten Schnittstellen zwischen Land und Luft? Welche Auswirkungen hat das auf die Stadt und die Gesellschaft, wenn nun jedes Gebäude zu einem potenziellen Start- und Landeplatz wird? Welche gesetzlichen und stadtplanerischen Maßnahmen müssen getroffen werden, damit die Drohne als neues Element in die Mobilitätskette integriert werden kann? Und wie vertragen sich fliegende Drohnen mit Ortsbildschutz und Unesco-Weltkulturerbe? All diesen bislang offenen Fragen widmet sich Schechtner länderübergreifend in der OECD.

Ein ebenfalls ungeklärter Punkt betrifft die infrastrukturelle Sicherheit beziehungsweise den Missbrauch von Drohnenflügen. Erst letzte Woche legten "präzise geplante" Drohnenflüge, wie es seitens der Airport-Security hieß, für mehrere Tage den siebentgrößten Flughafen der EU lahm. Tausende Passagiere saßen in London-Gatwick fest und warteten darauf, dass die von unbekannten Störenfrieden manövrierten Drohnen den Luftraum wieder für den regulären Flugbetrieb freigaben.

Auch solche Geschehnisse gilt es in Zukunft technisch und gesetzlich zu verhindern. In Zürich und Reykjavík gibt es bereits erste Pilotprojekte, in denen die Paketzustellung per Drohne getestet wird. In den USA kauft Uber Elevate, die Luftvariante des Straßentaxis, heute schon Flugrechte auf Flachdächern von Hochhäusern auf, um darauf Drohnen-Ports zu errichten. Und in Ruanda werden derzeit die ersten Frachtkorridore geplant, um auf straßenlosem Weg Güter von A nach B zu befördern.

Hinzu kommen zahllose Ideenwettbewerbe, die sich damit beschäftigen, wie die Drohnentechnologie die Stadt im Übermorgenland unterstützen kann. Sechs Studenten der Guangzhou Academy of Fine Arts haben eine Drohne entwickelt, die als mobiles Sicherheitsnetz für Brände und Explosionen in Hochhäusern eingesetzt werden kann.

Im Katastrophenfall fliegt Net Guard, so der Titel, zum Unglücksort, wo es sich vierteilt und zwischen den vier Ecken ein Sprungnetz aus Polyurethan aufspannt. Das Projekt wurde mit dem IF Design Talent Award 2018 ausgezeichnet.

Längst schon Realität sind Drohnen auf der Baustelle und im Vermessungswesen, wie der Wiener Vermessungstechniker Hanns Schubert auf Anfrage des STANDARD bestätigt, sowie in der Inspektion und Instandhaltung von Brücken, Zugstrecken und Fernwärmeleitungen. Bei Strabag, Asfinag und Wien Energie werden Drohnen zur sogenannten Smart Inspection eingesetzt – und zwar überall dort, wo die Begutachtung durch Menschen teuer, langwierig und mitunter gefährlich ist.

Ein sehr emotionales Thema

"Wir haben derzeit sieben Drohnen in unterschiedlichen Größen im Einsatz", sagt Patrick Enzinger, der gemeinsam mit Michael Elias für die Smart Inspection bei Wien Energie zuständig ist. "Für uns ist die Drohne ein universelles Werkzeug, das mit Kameras, Motoren und Seilträgern ausgestattet werden kann und mit dem wir Windräder, Industriekamine und Photovoltaikanlagen untersuchen. Dank Wärmebildkameras können wir damit auch Lecks in Fernwärmeleitungen aufspüren." Durch den Einsatz von Drohnen können die Ausfallzeiten von Kraftwerken und Versorgungsleitungen auf einen Bruchteil reduziert werden.

"Drohnen sind ein ambivalentes und sehr emotional diskutiertes Thema", meint Riklef Rambow, Professor am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). "Die einen nehmen dabei die Rolle von Piloten ein, die die Welt aus der Vogelperspektive betrachten, während die anderen gezwungen sind, sich überwachen und beobachten zu lassen."

Dennoch gebe es keinen Zweifel daran, so der Architekturpsychologe, dass Drohnen die Mobilität auf der Straße entlasten und die Stadtmorphologie langfristig verändern werden. "Wenn in Zukunft jedes Gebäude in der Stadt ein kleiner Flughafen sein wird, dann wird das auch Auswirkungen auf die Architektur und die Freiraumgestaltung haben. Dann werden in der Stadt eines Tages Bilder aus "Metropolis" und "Das fünfte Element" auftauchen." (Wojciech Czaja, 29.12.2018)