Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Heinz Christian Strache (FPÖ) anlässlich einer Sitzung des Ministerrates am Mittwoch, 19. Dezember 2018, in Wien.

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Türkis-Blau hat das erste Jahr relativ problemlos über die Bühne gebracht. Das kommt durchaus überraschend. Der FPÖ gelang es in jahrelanger Opposition nicht, gutes Personal aufzubauen, Erfahrung mit dem Regierungsalltag hatte niemand an der freiheitlichen Parteispitze. Das merkt man durchaus. Mithilfe der Volkspartei wird aber unaufgeregt der Koalitionspakt abgearbeitet. Fehler und peinliche Pannen passieren zwar regelmäßig, man lässt sich dadurch aber nicht aus dem Tritt bringen. Zahlreiche Vorhaben sorgten für massive Kritik, auch im STANDARD. Im Grunde macht das Kabinett Kurz I aber in etwa das, was man von einer neokonservativen Regierung erwarten durfte.

Ihre Politik beruht auf einer Retro-Gesellschaftspolitik, stellt Zuwanderer in erster Linie als Gefahr und Belastung dar, täuscht Unsicherheit vor, um den Sicherheitsapparat auszubauen, will den Sozialstaat straffen und gleichzeitig die eigenen Kernwählerschichten (Stichwort Familienbonus) begünstigen. Entlang dieser Grundprinzipien ist das Regierungsprogramm aufgebaut, und diese Grundprinzipien spiegeln sich auch in den Beschlüssen des Jahres 2018 wider.

Am fatalsten ist der Retro-Chic in der Gesundheitspolitik. Mit der Aufhebung des Rauchverbots in Lokalen wird der Tod zahlreicher Menschen in Kauf genommen. Das Gegenteil evidenzbasierter Politik sehen wir auch in den Klassenzimmern. Ab dem zweiten Semester der zweiten Klasse gibt es wieder Noten, Sitzenbleiben wird ab der zweiten Klasse wieder möglich sein. Ganz so, wie es früher war, als der kleine Heinzi und der kleine Sebastian selbst in der Schule waren.

Profitieren sollen vor allem jene, die einen österreichischen Pass haben. Wer zugewandert ist, wird grundsätzlich mit Skepsis betrachtet. Die Kürzung der Familienbeihilfe für osteuropäische Arbeitskräfte, von denen die heimische Wirtschaft stark profitiert, zeugt von Kleingeistigkeit. Zynisch ist der Zugang in der Asylpolitik. Man hätte zwar gerne, dass Flüchtlinge dem Staat nicht auf der Tasche liegen, gleichzeitig dürfen Asylwerber aber keine Lehre mehr machen. Man hätte gern, dass sie sich integrieren, streicht aber die Mittel für Deutschkurse.

Dafür werden um hunderte Millionen Euro noch immer Grenzkontrollen aufrechterhalten, die wenig bringen, aber den Eindruck einer externen Bedrohung erwecken. Bekämpft werden kann die natürlich nur mit mehr Personal für den Sicherheitsapparat und mehr Überwachung.

Im Sozialstaat wurden die Schrauben etwas angezogen. Ehrlicherweise muss man aber sagen, dass die Aufregung bei SPÖ und Gewerkschaft stark übertrieben war. Zwölfstundentage sind nun zwar häufiger möglich, die geringe Zahl an Problemfällen in den ersten Monaten zeigt aber schon, dass sich die realen Auswirkungen in engen Grenzen halten. Ähnlich könnte es am Ende bei der Mindestsicherung aussehen. Da die Länder einen gewissen Spielraum bekommen und die Gerichte wohl die De-facto-Schlechterstellung von Zuwanderern kippen werden, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich auch hier für die meisten Menschen wenig ändern wird.

Klar ist aber natürlich: Türkis-Blau ist nicht angetreten, um den Liberalismus zu forcieren und den Wohlfahrtsstaat auszubauen. Das wird sich auch 2019 nicht ändern. Wie die Kassenreform gezeigt hat, ist ihre Politik zuallererst auf Machtausbau ausgerichtet. Auch das wird im neuen Jahr eine Konstante bleiben.(Günther Oswald, 28.12.2018)