Die französische Postdoktorandin Viviane Slon fand aufgrund der DNA eines 90.000 Jahre alten Knochensplitters heraus, dass dieser von einem Mädchen stammt, dessen Mutter eine Neandertalerin und dessen Vater ein Denisova-Mann war.

MPI für evolutionäre Anthropologie

Während das US-Wissenschaftsmagazin "Science" traditionell die zehn wichtigsten Durchbrüche des Jahres wählt und abfeiert, konzentriert man sich bei der britischen Konkurrenz "Nature" seit einigen Jahren in der Jahresbilanz bei den Nature’s 10 auf jene zehn Personen, die im abgelaufenen Jahr wissenschaftlich besonders wichtig waren.

Bei diesen jeweiligen Top 10 der beiden Fachmagazine gibt es immerhin zwei Überschneidungen: Während "Science" die Entdeckung jenes sibirischen Mädchens würdigt, das vor 90.000 Jahren aus einer Paarung einer Neandertalerin mit einem Denisova-Mann hervorging, porträtiert "Nature" die für die Entdeckung hauptverantwortliche Forscherin Viviane Slon, eine aus Frankreich stammende Postdoktorandin am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig.

Lob für DNA-Forensik

Ebenfalls von "Nature" und "Science" lobend erwähnt wird Barbara Rae-Venter bzw. die Überführung des Golden State Killers. Die genetische Genealogin hat mit ihrer Arbeit wesentlich dazu beigetragen, dass man in den USA diesen Serienmörder aus den 1970er- und 1980er-Jahren finden und den Cold Case aufklären konnte. Die DNA eines Verwandten in einer genealogischen DNA-Datenbank hatte Rae-Venter und Kollegen auf die Spur gebracht.

Auffällig bei der "Nature"-Liste ist diesmal das Geschlechterverhältnis: Es ist nämlich völlig ausgewogen. Neben Slon und Rae-Venter wurde von der Redaktion noch die Physikerin Jess Wade gewürdigt, die hunderte Wikipedia-Einträge von Forschenden aus tendenziell diskriminierten Gruppen (Frauen, Afro-Amerikaner etc.) erstellte und diesen damit zu mehr Sichtbarkeit verhalf. Lob erhalten auch noch die Klimaforscherin Valérie Masson-Delmotte, die Wesentliches zum jüngsten aufrüttelnden IPCC-Report beitrug sowie Bee Yin Yeo, die Umweltministerin von Malaysia, die dem Plastikmüll erfolgreich den Kampf ansagte.

Fünf Männer mit Missionen

Zu den fünf von "Nature" porträtierten Männer, die einiges in der Wissenschaft bewegten (wenn auch nicht unbedingt nur zum Guten), zählen das 21-jährige Physik-Ausnahmetalent Yuan Cao, der spektakuläre Eigenschaften des Wundermaterials Graphen entdeckte und der umstrittene chinesische Genetiker He Jiankui, der für die erste Geburt genetisch modifizierter Zwillinge mitverantwortlich war.

Der wissenschaftliche und ethische Tabubruch des Jahres: He Jiankui erklärt, dass er bei bereits geborenen Zwillingsmädchen ein Gen absichtlich verändert hat, um sie vor HIV zu schützen.
The He Lab

Auch zwei Astronomen finden sich unter den Top 10: Makoto Yoshikawa, der die Mission zum Asteroiden Ryugu leitet sowie Anthony Brown, der die Veröffentlichung eines Katalogs von 1,3 Milliarden Sternen koordinierte. Last but not least wurde auch noch Robert-Jan Smits gewürdigt, der hinter der europäischen Open-Access-Initiative namens Plan S steckt, die gute Chancen hat, global für die freie Zugänglichkeit wissenschaftlicher Publikationen zu sorgen.

Ein Forscher fehlt freilich in dieser Aufzählung, der 2018 medial wohl für die meisten Schlagzeilen sorgte: Der Physiker Stephen Hawking starb am 14. März, was weltweit ein enormes Medienecho auslöste, gefolgt von den Berichten über sein posthum erschienenes Buch und zwei nach dem Tod veröffentlichten Aufsätze.

Alternative Messung von Bedeutung

Damit wären wir noch bei der zweiten Liste: die jener wissenschaftlichen Aufsätze, die jenseits der Scientific Community die größte Wirkung entfalteten. Diesen außerwissenschaftlichen Impakt misst seit einigen Jahren das Unternehmen Altmetric, hinter dessen Name sich der Begriff "alternative metric" versteckt. Denn hier werden eben nicht – wie sonst üblich – die Zitierungen in der wissenschaftlichen Fachliteratur gemessen, sondern die in den konventionellen und den sozialen Medien.

Spitzenreiter der Altmetric-Top-100-Liste 2018, die wie alle Rankings mit Vorsicht zur Kenntnis zu genießen sind, ist ein im Juli publizierter Artikel im "New England Journal of Medicine", der eine neue Berechnungsmethode für die Opferzahlen nach Naturkatastrophen vorstellt. Anlass waren die kaum brauchbaren Daten, die nach dem Hurrikan Maria für Puerto Rico erstellt worden waren. Der Artikel wurde immerhin über 16.000-mal auf Twitter geteilt und war auf diesem Kanal der mit Abstand "erfolgreichste".

Medizin dominiert die Medienberichterstattung

Sehr viel mehr Niederschlag in den konventionellen Medien fanden die Artikel auf den nächsten Rängen: Platz 2 ging an einen Aufsatz im Fachblatt "Science", der die Verbreitung von wahren und falschen Nachrichten auf Twitter analysiert und zum Schluss kommt, dass sich Falschmeldungen viel schneller verbreiten (Platz 1 der Liste mag eine Ausnahme sein). Platz 3 belegt eine "Lancet"-Studie über Alkoholkonsum in 195 Ländern, die zum Schluss kommt, dass die einzig gesunde Alkoholmenge genau 0,0 Gramm pro Tag beträgt.

Auch etliche andere der 100 besonders oft berichteten und geteilten Texte kommen aus dem Gesundheitsbereich: etwa jene Studie, die feststellte, dass man am besten rund 50 Prozent der Kalorien in Form von Kohlehydraten zu sich nehmen sollte oder dass alternative Krebstherapien das Sterberisiko verdoppeln. Und falls Sie sich 2019 mehr bewegen wollen findet auch das wissenschaftliche Unterstützung: Bewegung ist nebenbei auch noch eines der besten Antidepressiva, wie Forscher 2018 bestätigten (Platz 5). (Klaus Taschwer, 1.1.2019)