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Freundliche Blicke trotz der Kritik: Jean-Claude Juncker und der rumänische Präsident Klaus Iohannis.

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Brüssel/Bukarest – Kurz vor Beginn der EU-Ratspräsidentschaft Rumäniens kommt vom Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker deutliche Kritik an der sozialliberalen Regierung in Bukarest. Das Land sei zwar "technisch gut vorbereitet" auf den sechsmonatigen Vorsitz, sagte Juncker der "Welt am Sonntag".

"Ich glaube aber, dass die Regierung in Bukarest noch nicht in vollem Umfang begriffen hat, was es bedeutet, den Vorsitz über die EU-Länder zu führen. Für ein umsichtiges Handeln braucht es auch die Bereitschaft, anderen zuzuhören, und den festen Willen, eigene Anliegen hintenan zu stellen. Da habe ich einige Zweifel", meinte Juncker. Die Regierung in Bukarest wies die Vorwürfe am Samstag zurück.

Rumänien übernimmt den Vorsitz der EU-Länder zum 1. Jänner von Österreich. Das bedeutet, dass das Land Ministerräte leitet, für die EU politische Schwerpunkte setzt und versucht, Kompromisse der derzeit noch 28 Mitgliedsländer zu schmieden.

Brexit und Europawahl

Die nächsten Monate gelten als besondere Herausforderung: Für den 29. März ist der noch nicht geregelte EU-Austritt Großbritanniens geplant und Ende Mai steht die Europawahl an. Doch steht die rumänische Regierung wegen Mängeln bei Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung in der Kritik. Zudem ist sie zerstritten mit dem rumänischen Präsidenten Klaus Johannis.

Juncker sagte, der interne Zustand Rumäniens sei so, dass das Land nicht als "kompakte Einheit" in Europa auftreten könne. "Es braucht zuhause eine geschlossene Front, um während der Ratspräsidentschaft auch die Einheit Europas zu fördern", sagte der Kommissionspräsident.

Sarkasmus aus Bukarest

Die Reaktion aus Bukarest darauf klang sarkastisch: "Präsident Juncker hat die richtige Diagnose gestellt, aber ich denke, er hat dabei in den Spiegel geschaut und rechts mit links verwechselt", schrieb dazu der rumänische Minister für Handel, Unternehmertum und Geschäftsklima, Radu Oprea, bei Facebook. Interne politische Dispute gebe es nicht nur in Rumänien, sondern auch in anderen EU-Staaten.

Rumäniens Regierung habe schließlich eine stabile Mehrheit im Parlament. Die Ministerpräsidentin Viorica Dancila habe zu Einigkeit aufgerufen, hingegen sei Staatschef Johannis derjenige, der spalte, schrieb Oprea weiter. Der parteilose Johannis steht der bürgerlichen Opposition nahe.

Brüssel hatte Bukarest im November erhebliche Defizite bei Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung bescheinigt. Der Reformprozess in Rumänien sei ins Stocken geraten, es seien Rückschritte gemacht worden, hieß es in dem Bericht. Auch das Europaparlament hatte mit großer Mehrheit in einer Resolution Sorge um die Rechtsstaatlichkeit in Rumänien ausgedrückt.

"Wir werden kritisiert, ohne es zu verdienen"

Die rumänische Regierung weist solche Zweifel stets zurück. Kurz vor Weihnachten hatte Regierungschefin Dancila erbost erklärt: "Wir werden kritisiert, ohne es zu verdienen, wir werden bestraft, nur weil wir ein osteuropäisches Land sind."

In Rumänien waren unter anderem die Strafprozessordnung geändert und das Korruptionsstrafrecht entschärft worden. Anfang Juli wurde die angesehene Korruptions-Sonderstaatsanwältin Laura Kövesi entlassen. Immer wieder gibt es Demonstrationen gegen die Reformen.

Das Land ist seit 2007 Mitglied der Europäischen Union und übernimmt den EU-Vorsitz zum ersten Mal. (APA, 29.12.2018)