So wie bei einem Pariser Japan-Festival stellt man sich oft Ninjas vor. Das trifft aber nicht ganz zu.

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Dieser rund 300 Jahre alte Ninja-Eid wurde vor einigen Wochen entdeckt. Der Unterzeichner Insouke Kizu gelobt darin, sein Wissen niemals weiterzugeben und es nicht für Diebstähle zu missbrauchen.

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Ninja Masaaki Hatsumi vor seinen Schülern auf einem Archivbild aus dem Jahr 2006.

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Die metallene Handkralle gehört zu den typischen Ninja-Waffen, die das Denken dieser sagenumwobenen Krieger verständlich machen. Damit kletterten sie einen Baumstamm hoch und stoppten ein Schwert mitten im Schlag. Dann rammten sie die Kralle in die Schwerthand des Gegners und drehten sie so, dass er auf dem Boden landete. Dem Ninja ("Verborgener") geht es also eher um das Verteidigen als um das Töten. "Ein Ninja will zuallererst überleben", erläutert Masaaki Hatsumi. "Das unterscheidet ihn von den Samurai, die einen Weg in den Tod suchen."

Der 87-jährige Japaner mit schütterem, lila gefärbtem Haupthaar ist der wohl bekannteste Ninja der Welt. Hatsumi begründete die Kampfkunst Bujinkan, die die Lehren mehrerer Ninja-Schulen vereinigt. "Japan gilt als Heimat des Ninjutsu, aber die tiefe Tradition dieser Kampfkunst hat einst auf der ganzen Welt existiert", sagt Hatsumi. 50.000 Bujinkan-Lehrer hat er ausgebildet.

Hohe Körperspannung auch mit 87 Jahren

Trotz des hohen Alters führt er seine Kunst noch selbst vor und beeindruckt seine meist ausländischen Schüler mit starker Präsenz und hoher Körperspannung. Man kann sich gut vorstellen, wie er hinter den feindlichen Linien als Spion und Meuchelmörder erfolgreich operiert hätte.

Aber dem alten Meister missfällt der populäre Mythos von den schwarz vermummten Gestalten mit übermenschlichen Fähigkeiten, die sich in mondlosen Nächten lautlos bewegen und ihre Gegner mit raffinierten Waffen ermorden. Im Ausland wurde dieses Ninja-Zerrbild durch den James-Bond-Film Man lebt nur zweimal, die Zeichentrickfilme Teenage Mutant Ninja Turtles und die Manga-Serie Naruto geprägt.

Protest gegen Militärdiktatur

Heute tauchen die schwarz gekleideten Kämpfer in Werbeanzeigen und Computerspielen auf. Bei den negativen Darstellungen handelt es sich nach Ansicht des deutschen Ninja-Experten Stefan Imhoff jedoch um ein Missverständnis. "Von den Historikern ihrer Zeit wurden die Ninja als Kriminelle und Attentäter beschrieben, denn sie widersetzten sich der Militärdiktatur", erläutert Imhoff.

Über die Ninja kursiert auch deshalb so viel Propaganda, weil sie sich in Geheimbünden organisierten. Ihre Künste überlieferten sie nur innerhalb von angeblich 49 Familienclans, von denen heute nur noch drei existieren sollen – die Koka, Iga und Togakure. Kürzlich entdeckten Forscher der Universität Mie in einem 300 Jahre alten Dokument einen Ninja-Eid. Darin schwor ein Kämpfer aus den Bergen von Kyoto mit den Namen Insouke Kizu, das Wissen niemals weiterzugeben. Ein weiteres Gelöbnis verweist auf die sagenumwobene Ninja-Enzyklopädie Bansenshukai.

Internationale Gesellschaft gegründet

"Ninja waren aus heutiger Sicht staatliche Bedienstete, die Sicherheit gewährleisteten und Informationen sammelten", meinte Yoshiki Takao vom Ninja-Forschungszentrum der Universität Mie. Die wissenschaftliche Erforschung der Ninja-Kultur steckt jedoch noch in den Kinderschuhen. Letzten Februar hoben 200 Forscher aus Japan, Südkorea, China und Großbritannien in der Stadt Iga in der Präfektur Mie die "Internationale Gesellschaft für die Erforschung der Ninja" aus der Taufe.

Geplant ist eine Zeitschrift zur Geschichte, Ernährung und globalen Wahrnehmung der Ninja. "Wir wollen einige Geheimnisse enthüllen, etwa die Ninja-Dörfer Iga und Koka", kündigte Vereinsvorsitzender Atsumi Nakashima an.

Siebenköpfige Ninja-Brigade

Dessen ungeachtet wird der Ninja-Mythos in Japan für touristische Zwecke ausgeschlachtet. Die Präfektur Aichi zum Beispiel stellte eine siebenköpfige Brigade von professionellen Ninja-Kämpfern auf. Unter den akzeptierten Bewerbern war mit dem 29-jährigen Chris O'Neill auch ein US-Amerikaner. In "klassischen" Ninja-Kostümen führt die Brigade akrobatische Tricks einschließlich Salto rückwärts und dem Werfen von Eisensternen vor und posiert mit Touristen für Selfies.

Davon hätte der Ninja-Meister Momochi Sandayu, im Mittelalter ein berühmter Leiter der Iga-Schule, wahrscheinlich nicht viel gehalten: "Ein Ninja beschützt mit seinen Techniken sein Land, seine Führer und seine Familie, aber er befriedigt keine persönlichen Wünsche." (Martin Fritz aus Tokio, 3.1.2019)