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Nicht so angepasst, wie es das Äußere vermuten lässt: Keira Knightley als französische Erfolgsautorin Colette.

Foto: AP/Robert Viglasky

Bücher von Frauen verkaufen sich nicht. Als die Autorin Colette dieses Urteil erneut von ihrem Mann Willy zu hören bekommt, hat es sich im Kern längst als falsch herausgestellt. Zwar erscheinen ihre in Frankreich schnell populären Claudine-Romane Anfang des 20. Jahrhunderts zunächst unter dem Pseudonym ihres Mannes, eines notorischen Schwerenöters und Salonlöwen. Verfasst werden sie allerdings von der jungen Frau, die mit ihren autobiografisch gefärbten Erzählungen den Nerv einer überraschend breiten Leserinnenschaft trifft.

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Regisseur Wash Westmoreland erzählt mit dem Biopic Colette mit Keira Knightley in der Titelrolle eine nicht nur für ihre Zeit be merkenswerte Emanzipationsgeschichte. Dazu gehört ganz wesentlich das Behaupten der eigenen Identität, die Durchsetzung der wahren Urheberschaft.

Fast zu süßlich

Als der Ehemann (Dominic West) seelenruhig in den Nachttopf uriniert und erklärt, der erste literarische Versuch seiner Frau sei zu "zu süßlich, zu weiblich", reagiert diese mit dem Zusammenstreichen ihres Namens: Aus Sidonie-Gabrielle Claudine Colette wird Colette. Der Herablassung ihrer Umgebung widersetzt sie sich wiederholt mit nüchterner Entschlossenheit.

Ebendiese stille Entschlossenheit verleitet zu Fehleinschätzungen, die die Filmbiografie zu Spannungsmomenten verdichtet: Als die spätere Schriftstellerin, Varietékünstlerin und Journalistin anfangs mit zwei Zöpfen durchs Bild schleicht, entspricht sie dem Klischee vom unbedarften Mädchen auf dem Land. Sie trifft sich aber mit ihrem späteren Ehemann zum Schäferstündchen. Als dieser sie in Pariser Salons einführt, deutet er ihre Zurückhaltung fälschlicherweise als Schüchternheit. Dass sich Colette in Gesellschaft ausgerechnet einer Schildkröte zuwendet, liegt allerdings daran, dass sie in dem mit Juwelen drapierten Tier ein Opfer der Langeweile sieht – wie sich selbst angesichts von hohlen und prätentiösen Menschen.

Knightley erweist sich für die auf den ersten Blick oft undurchsichtige Figur als Idealbesetzung. Mit zurückhaltendem, fein nuanciertem Spiel lässt sie viele Deutungen zu. Das Unkonventionelle ihrer Figur wirkt umso stärker, als sich auch der Film selbst – von seiner visuellen Anmutung her – harmlos gibt: Elegant schwebt Giles Nuttgens’ Kamera durch das Salondekor, immer wieder schwillt die Orchestermusik von Thomas Adès an. Das mag überraschen bei einem Regisseur, der sich seine ersten Sporen als Filmemacher mit unkonventionellen Schwulenpornos verdiente. Wobei: Interesse an überlebensgroßen Charakteren legte Westmoreland mit seinem Partner Richard Glatzer am Anfang seiner Hollywoodkarriere mit dem Errol-Flynn-Biopic Mein Leben mit Robin Hood an den Tag, bevor er mit dem Oscar-prämierten Alzheimer-Drama Still Alice – Mein Leben ohne Gestern reüssierte.

Gleichberechtigte Teilhabe

Worum es Colette in Westmorelands Filmerzählung letztlich geht, ist Aufrichtigkeit. Die Schriftstellerin, die sich schließlich von Willy scheiden lässt, um unter anderem eine lesbische Beziehung mit ihrer Varietépartnerin einzugehen, stößt sich nicht an sexueller Freizügigkeit. Was sie will, ist gleichberechtigte Teilhabe und Ehrlichkeit. Ihr Ehemann, der sich seine Privilegien, ob als Schriftsteller oder Liebhaber, mit allen Mitteln zu sichern versucht, versagt hier auf voller Linie.

Anders als das thematisch ähnlich gelagerte Biopic über die Frankenstein-Autorin Mary Shelley, in dem ebenfalls eine Frau aus dem Schatten des Mannes tritt, findet Westmoreland den richtigen Ton, um im Fokus auf die frühen Jahre eine Entwicklung glaubhaft zu veranschaulichen. Die Karriere von Colette war nach dem im Film dargestellten Zeitraum nicht mehr zu bremsen: In den 1940er-Jahren wurde sie für den Literaturnobelpreis nominiert, als erste Frau in Frankreich wurde sie mit einem Staatsbegräbnis geehrt. Bereits 1907 hatte sie es geschafft, die wahre Autorenschaft ihrer ersten Buchreihe mit einer letzten Fortsetzung geltend zu machen. Ihr Titel: Claudine findet zu sich selbst. (Karl Gedlicka, 2.1.2019)