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Jair Bolsonaro und seine Ehefrau Michelle auf dem Weg zur Vereidigung in Brasília.

Foto: Reuters/RICARDO MORAES

Es waren schöne Bilder aus Brasília für die TV-Zuschauer in aller Welt. Der neue Präsident Jair Bolsonaro winkend in einem offenen Rolls-Royce, neben ihm die neue strahlende First Lady Michelle. Tausende Anhänger bejubelten das frischgebackene Präsidentenpaar und riefen immer wieder lautstark "Brasilien über alles!".

Doch schon bei seiner ersten Rede als frisch vereidigtes Staatsoberhaupt im Kongress switchte Bolsonaro zurück in den Normalmodus – und der bedeutete einen radikalen Rechtsruck und einen Bruch mit zahlreichen demokratischen Werten. "Wir werden die Ordnung im Land wiederherstellen", rief der 63-jährige Ex-Militär aus. Dazu gehören eine Liberalisierung des Waffenrechts und "Säuberungen", um Lehrpläne von Schulen und Universitäten von "marxistischem Müll" zu befreien.

In seiner Rede gab Bolsonaro einen Vorgeschmack auf das, was Brasilien erwartet. Er schwadronierte über die "Ideologie der Geschlechter", die es zu bekämpfen gelte. Gewalt solle mit Gewalt begegnet werden, Moral und Ethik hielten nach den linksgerichteten Vorgängerregierungen wieder Einzug. Kein Wort verlor das neue Staatsoberhaupt über den Kampf gegen die gestiegene Armut oder darüber, wie Arbeitsplätze geschaffen und Brasilien aus der Wirtschaftskrise geführt werden soll. Applaus per Twitter gab es dennoch – oder deshalb – von US-Präsident Donald Trump, der die "großartige Antrittsrede" lobte.

Der Scharfmacher

Bolsonaro ist kein Konservativer, sondern ein Scharfmacher, der die Brasilianer mit rassistischen und homophoben Kommentaren gegeneinander aufhetzt und die Nation entzweit. Wie bei Trump entstammen die von ihm hochgehaltenen Werte wie Moral und Familie nicht seiner Überzeugung, sondern sind ein Kniefall vor den ultrarechten Evangelikalen, denen er den Sieg verdankt.

Die Kampfansage an Kriminalität und Korruption hat Bolsonaro in den Präsidentenpalast gespült. Im Wahlkampf gerierte sich der Rechtsaußen als Saubermann, der endlich im "Saustall Brasília" aufräumen werde. Seine Anhänger warten jetzt auf Taten.

Als erste Amtshandlung will er das Waffenrecht liberalisieren, damit "gute Bürger" sich verteidigen könnten. Polizisten, die selbst für einen Teil der Gewalt verantwortlich sind, sollen eine Art vorauseilenden Persilschein bekommen und Verdächtige ohne juristische Folgen töten können.

Comeback des Militärs

Brasilien steht vor einer Militarisierung der Gesellschaft. Anders als in Chile und Argentinien fand in Brasilien keine wirkliche Aufarbeitung der Militärdiktatur (1964 bis 1985) statt. Kein Foltergeneral wurde jemals verurteilt, bis heute konnte das Militär seine zahlreichen Privilegien bewahren. Im Schulunterricht tauchte das Wort Diktatur nicht auf.

Schon lange existierten Pläne der Militärs, wie sie an alte Macht anknüpfen können. Mit Bolsonaro als Marionette an der Staatsspitze soll das jetzt gelingen. Im Kabinett findet sich schon jetzt ein Drittel Militärs, auch in wichtigen Staatsunternehmen wurden sie in die Führungsetagen gesteckt. "Die Militärdiktatur hat nie wirklich aufgehört", sagt der Philosophieprofessor Vladimir Safatle von der Universität São Paulo (USP).

Größter Feind Bolsonaros ist der Marxismus, der angeblich alle Bildungseinrichtungen unterwandert habe. Gender-Themen und Sexualkundeunterricht werden aus dem Lehrplan gestrichen. Bolsonaro holt damit viele wertkonservative Wähler ab, denen solche Themen verhasst sind. Wie schon bei manchen Diktatoren nährt sich seine Politik aus Verschwörungstheorien gegen Intellektuelle, Linke und Kulturschaffende. Sein neuer Außenminister Ernesto Araújo hält beispielsweise die Idee, es gebe einen Klimawandel, für ein "kulturmarxistisches Komplott".

Bolsonaro hat die Wahlen mit Hetze und der Diffamierung politisch Andersdenkender gewonnen. Die Polarisierung der brasilianischen Gesellschaft wird weiter zunehmen. Sein wichtigstes Werkzeug sind dabei die sozialen Medien. Sie sind das Sprachrohr des Bolsonarismus. (Susann Kreutzmann aus São Paulo, 3.1.2018)