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Bestückt mit Produkten der Einbildungskraft: die Rückseite des Mondes.

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Pink Floyds "The Dark Side of the Moon".

Flac Music

Zur Rückseite des Mondes führen drei Wege: einer durch Raum und Zeit, einer über reines Denken und einer mit den Mitteln der Fantasie. Die aufstrebende Supermacht China hat mit der Sonde Chang’e 4 gerade die ganze Welt hinters Licht geführt und ist dort gelandet, wo das Auge nur mit Prothesen hinsieht. Damit ist der kürzeste Weg auf die Mondseite, auf der es von uns aus immer finster ist, absolviert.

Den zweiten Weg schlug einmal der Philosoph Hans Blumenberg vor, der sich spaßeshalber am wissenschaftlichen Wettrennen um Sonderbudgets mit dem Thema Erforschung der Rückseite des Mondes durch reines Denken bewarb. Er begründete im selben Atemzug die grenzakademische Disziplin der "Astronoetik" und holte die der Erde abgewandte Seite des Mondes – zwinkernd – in den Bereich, den sein Kollege Kant einer Kritik der reinen Vernunft reserviert hatte.

Lunare Januskömpfigkeit

Einen Begriff mochte man sich von der entfernteren Seite des Mondes ja immer schon gemacht haben – aber dass hinten ein schattigeres Vorne anzunehmen ist, ist gleichsam (wie die reine Vernunft halt auch) ein wenig abstrakt. Deswegen ist der dritte Weg der populärste. Mit der Vorstellungskraft war die Menschheit schon auf beiden Seiten des Mondes, da war Apollo noch ein griechischer Gott.

So richtig populär wurde die lunare Janusköpfigkeit aber erst seit dem 20. Jahrhundert, weil die Erde jetzt erst die Dualismen ausbrütete, die sich trefflich auf den Mond projizieren ließen. Einmal waren es die Kommunisten, die auf der uneinsehbaren Mondhälfte etwas ausheckten, dann wieder – zuletzt in dem parodistischen Science-Fiction-Film Iron Sky (2012) – die Nazis, die für ihr finsteres Treiben einen Sperrbezirk brauchten.

Pink Floyd

Das berühmte Konzeptalbum von Pink Floyd hingegen spielt auf die Zwiespältigkeit der menschlichen Natur an: The Dark Side of the Moon ist in diesem Fall ein Bild für psychische Verdüsterung bei dem früheren Bandmitglied Syd Barrett.

Den Mondvorstellungen eignet halt immer etwas Reflexives. Man kann sich noch so sehr im Kreis drehen, man wird nie auf die eigene Rückseite (oder geradewegs ins eigene Unbewusste) kommen. Der Mond bleibt der Seelentrabant, er sorgt für Ebbe und Flut nicht zuletzt im Gefühlshaushalt, und auch China wird feststellen, dass man da hinten zwar ein Flugobjekt landen, damit aber nicht gleich der ganzen Menschheit die Wadeln nach vorn richten kann. (Bert Rebhandl, 3.1.2019)