Zum Ende des alten Jahres musste der Erfinder der Definition "NGO-Wahnsinn" für Lebensrettung eine grausige Entdeckung machen, die nichts Gutes für das neue verheißt. "Es wird Lagerbildung betrieben", enthüllte der selbsternannte Pontifex maximus Austriae dem "Kurier". Da pries sich Bundeskanzler Sebastian Kurz seit Amtsantritt den Österreichern und im letzten halben Jahr gleich der ganzen Europäischen Union als Brückenbauer an, ohne dass er im In- und Ausland als solcher anders wahrgenommen wurde denn als Minimus. Für diese Respektlosigkeit hat er nur eine Erklärung: "Manche Teile der Opposition versuchen wirklich, das Land und unsere Gesellschaft zu spalten."

Diese Spaltungsversuche erfolgen per Zirkeldefinition dadurch, dass sie "Lagerbildung betreiben, anstatt demokratische Prozesse zu respektieren". Da er Demonstrieren, wenn vielleicht auch ungern, noch immer für legitim hält, kann er der lagerbildenden Ruchlosigkeit nur das legitime Recht der Regierung zu regieren entgegenhalten – das allein mit der Forderung, es möge anders regiert werden, freilich in keiner Weise beschnitten wird. Es handelt sich bei der Beschwerde um nichts anderes als die für Kurz typische leere Phrase, wo kaschiert werden soll, von wo die Lagerbildung ausgeht, nämlich von dort, wo das Land spaltende Gesetze und Handlungen ausgehen.

Die Krokodilstränen des Bundeskanzlers könnte man ohne weiteres als polemischen Mitleidsappell abtun, mit dem den Oppositionsparteien die Schuld daran zugewiesen werden soll, dass die Segnungen türkis-blauen Wirkens nicht beim ganzen Volk so ankommen, wie die Message-Control es vorsieht. Die Verdächtigungen des Kanzlers und vor allem seines trauten FPÖ-Partners richten sich aber nicht nur gegen die Opposition, der man, wäre sie kampfbereit, Lagerbildung noch zutrauen könnte. Es sollen aber in einem Aufwaschen auch NGOs und als neuestes Hassobjekt die Caritas unter die Fuchtel einer Deutungshoheit über die Regierungsarbeit gepresst werden, die allein der Regierung zustehen soll.

Es geht um einen plumpen Versuch von Zensur, der angesichts der einschlägigen Bemühungen der Regierung um den ORF nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollte. Und der über die Tatsache hinwegtäuschen soll, dass NGOs – Nichtregierungsorganisationen – nicht aus Mutwillen entstehen, sondern dort, wo Regierungen versagen. Wenn ein Gudenus dem Caritas-Präsidenten Landau "Profitgier" vorwirft und Kurz diese Verleumdung mit dem Hinweis ausschmückt, Landau sei "alles nur kein ÖVP-Mitglied", wird deutlich, wer hier ein Lager bildet.

Es war ein hartnäckiges ÖVP-Mitglied, das nun im "Kurier" feststellte, die Regierung betreibe eine Politik der Spaltung durch "massiven Sozialabbau mit fremdenfeindlicher Begleitmusik", nämlich der Tiroler AK-Präsident Erwin Zangerl. Und auch nicht ÖVP-fern der niederösterreichische Ex-Landeshauptmann Erwin Pröll, der die Initiative "Ausbildung statt Abschiebung" unterstützt und sich damit gegen die türkis-blaue Lagerbildung stellt. Es ist einfach schrecklich, wie viele Spalter es in diesem Land gibt. (Günter Traxler, 3.1.2019)