Der Kabarettist Florian Scheuba ist einer der drei "Staatskünstler". Der ORF hat die Sendung Wir Staatskünstler mittlerweile abgesetzt, dafür aber über das neue Buch Scheubas, Schrödingers Ente: Warum eine Lüge keine Meinung ist, berichtet. Das wiederum rief die FPÖ mit einem Protest auf den Plan.

STANDARD: In der Presseaussendung der FPÖ über die Ungeheuerlichkeit eines ORF-Beitrags über Ihr Buch ist die Berufsbezeichnung Kabarettist unter Anführungszeichen gesetzt. Wie legen Sie Ihre Rolle als Kabarettist an, was ist Ihr Berufsverständnis?

Scheuba: Herr Jenewein hat wohl geglaubt, das ist ein stichhaltiges Gerücht, dass ich Kabarettist bin. Vielleicht hat er es deshalb unter Anführungszeichen gesetzt. Mir selbst ist die Berufsbezeichnung relativ egal. Vielleicht trifft es Satiriker am besten, aber ich kann mit Kabarettist sehr gut leben.

Über FPÖ-Mediensprecher Hans-Jörg Jenewein, der im ORF mitmischen will, sagt Florian Scheuba: "Das ist so, wie wenn ein Waffenhändler in einer Abrüstungskommission sitzt."
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STANDARD: FPÖ-Mediensprecher Hans-Jörg Jenewein hat gemeint, der Beitrag hätte, wenn schon, dann besser in die "Seitenblicke" denn in eine "Zeit im Bild" gepasst.

Scheuba: Die Wortmeldung von Herrn Jenewein hat etwas Gutes, weil sie letztendlich unverblümt ist. Da wird Tacheles geredet. Das hat vorher schon der oberösterreichische FPÖ-Landesrat Podgorschek gemacht. Der hat gesagt, der ORF gehöre neutralisiert und man dürfe davor auch nicht zurückschrecken, wenn das Wort "Orbánisierung" falle. Was Herr Jenewein macht, ist genau auf dieser Linie. Wenn ein Politiker ORF-Redakteuren vorschreiben will, worüber sie wann und wo berichten dürfen und worüber nicht, ist das genau der Gedanke. Die Diskussion, die zu führen ist, lautet: Ist es sinnvoll, dass Herr Jenewein im ORF mitreden kann? Es erscheint mir höchst problematisch, dass jemand, der die Grundlagen eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht akzeptiert, die Zukunft dieses Unternehmens mitgestalten will. Das ist so, wie wenn ein Waffenhändler in einer Abrüstungskommission sitzt. Gerade bei einer Kulturredaktion ist es besonders absurd, den Mitarbeitern vorschreiben zu wollen, was sie berichtenswert zu finden haben und was nicht.

STANDARD: Jenewein hat immerhin erklärt, er werde dem Moderator Armin Wolf nicht die Kündigung überreichen.

Scheuba: Da bin ich schon sehr gespannt. Ich glaube, die Strategie wird anders ausschauen: Man wird versuchen, Wolf auszuhungern. Es werden sich immer mehr Politiker davor drücken, zu ihm in die Sendung zu gehen, und sich lieber auf oe24.tv den Anschleimungen des Herrn Fellner stellen.

"Als Staatsbürger würde ich mich freuen, wenn weniger da wäre", sagt Florian Scheuba über reichlich Stoff, den ihm die Regierung für seine Programme liefert.
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STANDARD: Wie groß ist denn der Einfluss der FPÖ im ORF?

Scheuba: Es gibt im Sinne Podgorscheks und Jeneweins Versuche, den ORF in den Griff zu bekommen. Da gab es die Ansage von Stiftungsrat Norbert Steger, der in Zusammenhang mit Armin Wolf von unbotmäßigen Fragen sprach. Einen solchen Spruch hätte ich mir als Kabarettist nicht getraut auf der Bühne als Pointe zu bringen: Politiker beschweren sich im 21. Jahrhundert über "unbotmäßige Fragen"! Dem ORF-Korrespondenten in Ungarn wurde unverhohlen mit der Kündigung gedroht, wenn er seine kritische Berichterstattung weiter so betreibt. Von diesen Drohungen müssen wir uns alle bedroht fühlen, denn der ORF gehört uns allen.

STANDARD: Ihr Verhältnis zum ORF ist zwiespältig. Ihre Sendung "Wir Staatskünstler" wurde abgesetzt. Gibt es da einen politischen Zusammenhang?

Scheuba: Kann ich nur mutmaßen.

STANDARD: Mutmaßen Sie.

Scheuba: Gewisse Schlussfolgerungen liegen nahe. Da ich mich selbst aber darum bemühe, meine Arbeit faktenbasiert zu machen, tu ich mir schwer damit, Gerüchte zu kommentieren.

STANDARD: Die Staatskünstler waren sehr kritisch und sehr politisch. Wie viel Kritik ist im ORF erlaubt oder zulässig?

Scheuba: Da konnte ich mich bislang nicht beschweren. Es war im ORF sehr viel möglich. Schon bei Die 4 da, aber auch davor bei Donnerstalk. Da hat sich niemand eingemischt. Auch bei den Staatskünstlern nicht. Da muss ich dem ORF meinen Respekt aussprechen.

STANDARD: Da gab es niemals eine Einmischung oder Wünsche seitens des ORF?

Scheuba: Ein einziges Mal wurde interveniert, das betraf den niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll und seine Privatstiftung. Sonst nicht. Auch als wir beschlossen haben, für die ORF-Generaldirektion zu kandidieren, haben sie das hingenommen, wenn auch zähneknirschend. Das fand ich sehr in Ordnung.

Scheuba über die sozialen Medien: "Das Hauptproblem scheint mir die maximale Manipulierbarkeit zu sein. Wir alle sind nicht dagegen gefeit, vieles ernst zu nehmen, was wir in den sozialen Medien lesen."
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STANDARD: Wie schwierig ist es, politisches Kabarett zu machen? Ist die türkis-blaue Regierung eine Vorgabe, oder wird es schwieriger, die Wirklichkeit zu übertreffen?

Scheuba: Vom Stoff her kann ich mich nicht beklagen. Freu ich mich darüber? Das ist wie bei einem Arzt: Freut sich der über die Grippewelle? Jein. Es wird viel Stoff geliefert, aber ich bin auch Staatsbürger und würde mich freuen, wenn weniger da wäre.

STANDARD: Sie recherchieren für Ihre Programme und Texte sehr gründlich, Sie übernehmen da zum Teil auch eine journalistische Funktion. Was ist denn Ihre Sicht auf den Journalismus? Wie tief stecken die Medien in der Krise?

Scheuba: Da passieren zum Teil schon auch Verheerungen. Allein die Situation in Wien, wo sich die Medienhäuser Dichand und Fellner darüber streiten, wer mehr Inserate von der Stadt Wien bekommen soll und dass der jeweils andere diese zu Unrecht bekommt und dadurch quersubventioniert wird. Das ist, wie wenn Cosa Nostra und 'Ndrangheta gleichzeitig zur Polizei rennen und sagen: Schauts euch die anderen an, die haben mafiöse Strukturen.

STANDARD: Derzeit wird wieder über eine Klarnamenpflicht in den Onlineforen diskutiert. Was ist Ihre Meinung dazu?

Scheuba: Bezüglich dessen, ob das wirklich etwas bringt, bin ich skeptisch. Das Hauptproblem scheint mir die maximale Manipulierbarkeit zu sein. Wir alle sind nicht dagegen gefeit, vieles ernst zu nehmen, was wir in den sozialen Medien lesen. Wir blenden den Gedanken aus, was da schon manipuliert worden ist. In meinem Programm erzähle ich von einer Agentur in Wien, bei der man das in Serie kaufen kann, gefälschte Postings in den Foren, auf Facebook und Twitter. Die Manipulation sozialer Medien wird mittlerweile als Dienstleistung angeboten. Es ist kein Abbild der Realität.

Scheuba ist ein altmodischer Konsument, der noch Artikeln aus Zeitungen ausschneidet. In den Zeitungs-Endzeit-Jammerchor möchte er nicht einstimmen.
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STANDARD: Wem kann man noch glauben? Die Medien sehen sich verstärkt dem Vorwurf von Fake-News konfrontiert. Die "Spiegel"-Affäre hat die Glaubwürdigkeit der Medien jetzt auch nicht gerade gestärkt.

Scheuba: Das sehe ich nicht so pessimistisch. Denn man kann sich ja sehr wohl verschiedene Medien anschauen und sie daraufhin überprüfen, ob ihre Berichterstattung auf Fakten beruht oder nicht. Das ist auch der Untertitel meines Buches: Warum eine Lüge keine Meinung ist. Das Grundübel in der momentanen Mediensituation scheint mir zu sein, dass oftmals simple Lügen als Meinungen ausgegeben werden, die den Sinn haben, das gesamte Fundament der Realität zu untergraben. Nehmen Sie Alles roger oder Russia Today: Viele Leute sagen: "Ich weiß schon, dass das nicht unbedingt stimmt, was die schreiben, aber die anderen lügen genauso." Wenn wir da nicht mehr differenzieren, ist es mit Aufklärung und Zivilisation vorbei. Das ist auch mein Credo in diesem Buch: Die Wahrheit ist für den Menschen kein erreichbares Ziel, aber sie ist eine Richtung. Wir müssen zwischen mehr und weniger wahr unterscheiden. Es hat niemand, auch kein Journalist, die Wahrheit für sich gepachtet. Aber es gibt sehr wohl Unterschiede zwischen dem Bemühen, der Wahrheit näher zu kommen, und der Absicht, sie bewusst zu verschleiern.

STANDARD: Wie würde das Medium ausschauen, in dem Sie am liebsten Ihre Kolumnen publizieren würden?

Scheuba: Ich bin ein ganz altmodischer Konsument, ich lese noch Printausgaben, ich schneide mir Artikel aus. Ich möchte auch nicht in den großen Zeitungs-Endzeit-Jammerchor einstimmen. Es gibt in Österreich viele sehr gut arbeitende Journalistinnen und Journalisten, die ihren Job ernst nehmen und sich nicht einer vorgegebenen Message-Control unterwerfen – denn die wird nicht nur von der Bundesregierung forciert. Dass alle in der Defensive sind, ist klar, das ist die Marktsituation. Die Konsequenz kann aber nicht sein, dass alles downgesizt wird. Es braucht Mittel, es braucht Zeit, es braucht Recherche. Weniger davon schadet der Qualität. Aus dem Teufelskreis müssen die Medien raus, sonst haben wir ein Problem. Aber es ist nicht aussichtslos. In den USA sieht man, dass es eine faktenorientierte Gegenbewegung zu Trump gibt und dass die Sehnsucht nach seriösem Journalismus wächst. (INTERVIEW: Michael Völker, 5.1.2019)