Abgeordnete aller Oppositionsparteien ziehen bei den aktuellen Protesten in Ungarn an einem Strang.

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Die Proteste gegen die neue Überstundenregelung in Ungarn und die Regierung des Rechtspopulisten Viktor Orbán gehen auch im neuen Jahr weiter. Rund 2.000 Menschen demonstrierten am Donnerstagabend in der südungarischen Stadt Szeged. Für Samstag war in Budapest die nächste Massenkundgebung geplant. "Ich denke, es werden mehr Menschen denn je kommen", sagte die Oppositionsabgeordnete Tímea Szabó von der liberalen Dialog-Partei am Freitag im Budapester Klubrádió.

Die Proteste begannen Mitte Dezember, nachdem das Parlament mit der Mehrheit der Orbán-Partei Fidesz ein neues Überstundengesetz gebilligt hatte. Dieses sieht vor, dass die Arbeitgeber von ihren Beschäftigten bis zu 400 Überstunden – statt wie bisher 250 – verlangen können. Experten beurteilen die Aussichten, dies im konkreten Fall gegen den Willen der Betroffenen durchzusetzen, unterschiedlich. Doch die schiere Perspektive, im Firmenalltag den Begehrlichkeiten womöglich gieriger Chefs ausgeliefert zu sein, trieb tausende Menschen auf die Straße, um gegen das sogenannte "Sklavengesetz" aufzubegehren.

Opposition zieht an einem Strang

Die Protestwelle erwies sich als nachhaltiger und ausdauernder als frühere Demonstrationsserien, so etwa gegen das repressive Mediengesetz oder gegen das studentenfeindliche Hochschulunterrichtsgesetz. Eine neue Qualität hat die aktuelle Protestwelle auch deshalb, weil die Parteien der Opposition – von den linken Sozialisten bis zur stramm rechten Jobbik –, Gewerkschaften, Zivilorganisationen und Studenten an einem Strang ziehen.

Als Zuglokomotive erwiesen sich die zuvor lahmen und zerstrittenen Oppositionsparteien, deren Abgeordnete in gemeinsamen Aktionen Menschen motivierten. Zuerst brachen sie bei der Abstimmung über das Überstundengesetz einen Parlamentstumult vom Zaun, den der Dialog-Abgeordnete Bence Tordai live über Facebook in die Welt ausstrahlte. Dann verschaffte sich ein paar Tage darauf eine Gruppe von Oppositionsabgeordneten Zugang zum Gebäude des Staatsfernsehens. Dort wurde es ihnen zwar verwehrt, die Petition der Demonstranten zu verlesen, doch auch diese Aktion vermittelte einen Eindruck von gemeinsamer Handlungsfähigkeit über die Parteigrenzen hinweg.

Beschimpfung als Logo

Mit der für Außenstehende kryptisch wirkenden Abkürzung "O1G" verfügt die Bewegung neuerdings auch über ein Logo. Sie steht für den Schimpfspruch "Orbán egy geci" (Orbán ist ein Ejakulat, sinngemäß: Orbán ist ein Stück Scheiße), den der Oligarch Lajos Simicska äußerte, als er 2015 mit Orbán, seinem Freund aus Schul- und Uni-Zeiten, auf dramatische Weise brach. Simicska hat mit der Protestbewegung nichts zu tun. Als kreative Umschöpfung lebt sein Spruch im Logo der Orbán-Gegner weiter. (Gregor Mayer aus Budapest, 4.1.2019)