Aleida und Jan Assmann bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2018.

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Autor Robert Menasse.

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In der Rechtfertigung Robert Menasses erlebe sie "ein Stücke intellektueller Gewalt, wie ich sie von den 68ern kenne, die die Wahrheit immer auf ihrer Seite hatten", sagt Aleida Assmann in einem Interview in der "Welt am Sonntag" zum Umgang des österreichischen Schriftstellers mit der Causa rund um von ihm erfundene Zitate. Und kritisiert, dass Menasse Nation und Nationalismus gleichsetze.

Debatte gefordert

Also fordert die Friedenspreisträgerin eine Debatte über den Begriff der Nation. Dazu zählt die Kulturwissenschafterin in dem Interview Fragen auf. Wie etwa würden sich die Nationen verwandeln, "wenn sie in den gemeinsamen Rahmen Europa eintreten? Welche Werte halten sie zusammen? Ist es nur der Euro? Wie entsteht ein Gefühl der Solidarität?"

Nach Ansicht der 71-Jährigen sind Demokratien kein Bollwerk gegen autoritäre Bewegungen. "Gegen solche Bewegungen hilft meines Erachtens aber auch nicht die Abschaffung der demokratischen Nationen, sondern nur ihre Stärkung. Nationalstaaten sind für Demokratie, Gewaltenteilung und zivilgesellschaftliche Lebensform die optimale Betriebsgröße, und Europa kann der richtige Rahmen und die Stütze sein, in dem dies funktioniert und gelingt."

Positiver Nationenbegriff

Wenn Europa gerettet und gestärkt werden solle, müssten wir dringend anfangen, über unser Verhältnis zur demokratischen Nation zu sprechen. "Aufgrund unserer Geschichte haben es die Intellektuellen nicht vermocht, zu einem positiven Nationenbegriff zurückzukehren, der mit unserer Verfassung, Gewaltenteilung, Menschenrechten und gerade auch mit kultureller Vielheit verbunden ist; alles Dinge, die wir täglich genießen, ohne sie uns bewusst zu machen und wertzuschätzen – wie lange noch?", fragt Assmann in dem Interview. Die Geisteswissenschafter Aleida und Jan Assmann haben 2018 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten.

Menasse hatte zuletzt in dem Fall Fehler eingeräumt und sich dafür entschuldigt. Die Kritik an seinem Umgang mit Zitaten hatte der Autor als "künstliche Aufregung" bezeichnet. (APA, red, 6.1.2019)