Einzeln oder in einer Gruppe hören Patienten Musik oder musizieren selbst, um mit dem Therapeuten darüber zu sprechen, was sie dabei erlebt und gefühlt haben. Das hat zumindest kurzfristig positive Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen.

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Führt eine begleitende Musiktherapie bei Krebspatienten zu besseren Behandlungsergebnissen? Was kostet sie? Stehen diese Kosten in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen? Diese Fragen haben österreichische Wissenschafter der Gesundheit Österreich GmbH im Auftrag des deutschen Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) untersucht.

Laut IQWiG handelt sich um den ersten HTA-Bericht (Health-Technology-Assessment) zu diesem Thema. Die ersten Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass Musiktherapie psychische Begleitsymptome wie etwa Abgeschlagenheit oder Angst sowie die Lebensqualität kurzfristig nach der Therapiesitzung günstig beeinflusst. Für Aussagen zu langfristigen Effekten wie beispielsweise Depression oder chronischen Schmerzen fehlen jedoch Daten. Lücken gibt es dem Bericht zufolge auch bei gesundheitsökonomischen Studien.

Eingeschränkte Aussagekraft

Eine Krebstherapie ist häufig mit erheblichen körperlichen und seelischen Belastungen verbunden. Von einer Musiktherapie, die begleitend zur Chemotherapie, Bestrahlung oder Immuntherapie eingesetzt wird, erhoffen sich Betroffene, dass sie die Lebensqualität verbessert und unter Umständen auch bei weiteren "patientenrelevanten Endpunkten" positive Effekte zeigt.

Einzeln oder in einer Gruppe hören Patienten Musik oder musizieren selbst, um mit dem Therapeuten darüber zu sprechen, was sie dabei erlebt und gefühlt haben. Zu wichtigen Aspekten konnten die Autoren des Berichts allerdings keine Aussagen treffen. Insgesamt konnten nur zehn randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) in die Analyse einbezogen werden, davon zwei aus Deutschland. In sieben Studien wurde die Musiktherapie mit einer onkologischen Standardtherapie ohne Musiktherapie verglichen, in zwei Untersuchungen mit einer anderen begleitenden Therapie.

Was das Studiendesign betrifft, waren die RCTs sehr unterschiedlich und von zumeist kurzer Dauer. Dies ist einer der Gründe, weshalb zu einer ganzen Reihe wichtiger Endpunkte keine Aussagen möglich sind. Für die "Krankheitsbewältigung" gilt das ebenso wie für "Aktivitäten des täglichen Lebens" und das "soziale Funktionsniveau". Letzteres umfasst auch die berufliche und soziale Teilhabe.

Auch kurzfristige Effekte bedeutsam

Für"psychologische" Endpunkte zeigten die Studien positive Effekte der Musiktherapie, vor allem für Abgeschlagenheit, Angst, Stimmungsschwankungen, Stress und Anspannung. Aber auch in Hinblick auf "subjektives Wohlbefinden" und "Lebensqualität" gab es entsprechende Anhaltspunkte oder Hinweise. Allerdings gilt dies meist nur für einen kurzen Zeitraum nach den Therapiesitzungen.

Angesichts ihrer Kurzfristigkeit stellt sich jedoch die Frage, ob diese Effekte überhaupt als "patientenrelevant" einzustufen sind. Die Autoren des HTA-Berichts bejahen diese Frage: "Wenn es den Betroffenen nach einer Therapiesitzung besser gehe, dann sei das gerade angesichts ihrer ohnehin starken Belastung von Bedeutung. Erst recht gelte dies in einem 'palliativen Setting', wenn keine Aussicht auf Heilung mehr besteht und die Lebenserwartung mitunter stark verkürzt ist."

Ethisch unbedenklich, keine Daten zu Gruppentherapie

Unbeantwortet bleibt die Frage nach der "Kosten-Effektivität", also in welchem Verhältnis Kosten und Nutzen zueinander stehen. Das liegt daran, dass solche Studien fehlen. Aus ethischer Sicht stufen die Autoren die Musiktherapie als unbedenklich ein: Zum einen ist sie – anders als etwa eine Operation – nicht "invasiv". Zum anderen kommt sie nur dann zustande, wenn die Betroffenen motiviert sind und aktiv mitmachen.

In den verfügbaren Studien wurden ausnahmslos Krebspatienten untersucht, bei denen die Musiktherapie in Form einer Einzeltherapie angewendet wurde. Daten zur Gruppentherapie gab es keine. In explorativen Interviews befragten die Autoren des HTA-Berichts allerdings Betroffene, die sich für eine Gruppenmusiktherapie entschieden hatte. Häufig kam von den Patienten die Antwort, dass ihnen gerade die Krankheitsbewältigung in ihren unterschiedlichsten Facetten wichtig ist. "Wenn Patienten berichten, dass ihnen Musiktherapie in der Gruppe inneren und sozialen Rückhalt gibt, es ausgerechnet zur Gruppentherapie aber keine Studien gibt, dann ist das misslich", erklärt Ulrich Siering vom IQWiG. "Auf Belege aus Studien zu verzichten, ist kein gangbarer Weg." (red, 11.1.2019)