Bild nicht mehr verfügbar.

Kanadas Asylpolitik fährt gut mit ihrem Resettlement-Programm. Diese syrische Familie etwa reiste 2015 legal über den jordanischen Flughafen Amman in Nordamerika ein.

Foto: AP Photo/Sam McNeil

Es läuft nicht rund in der österreichischen Flüchtlingspolitik. Der Staat fühlt sich überfordert, Private sehen ihre Leistungen zu wenig gewürdigt, FPÖ und Caritas, aber auch die evangelische Diakonie liefern sich schon seit Monaten diverse Scharmützel. Der Grund für die zunehmende staatliche Zurückhaltung liegt aber nicht nur in der türkisen Willfährigkeit gegenüber der FPÖ – dass diese eine Rolle spielt, lässt sich kaum bestreiten. Der Grund dafür liegt auch in den hohen Kosten des Gesamtsystems, über die es in Österreich keine seriöse Diskussion gibt. Eine Studie des Fiskalrats kam 2016 auf einen negativen fiskalischen Effekt von 23 Milliarden Euro auf der Basis von knapp 84.000 Asylberechtigten bis 2060 mit einem minimalen Plus danach. Eine gesamtwirtschaftliche Rechnung mit aktuelleren Zahlen steht nach wie vor aus.

Das Fehlen solider Kostenschätzungen in der Debatte ist typisch für eine Diskussion, die seit Jahren chaotisch, ideologisch und ohne erkennbares Gesamtkonzept geführt wird. Die aktuell niedrigen Antragszahlen sollten daher als Chance gesehen werden, Eckpfeiler des bisherigen Systems zu überprüfen und nach den Erfahrungen jener zu fragen, die hier nicht nur erfahrener, sondern auch erheblich erfolgreicher sind.

Dazu zählt insbesondere die kanadische Asylpolitik; sie ist der Prototyp eines fein austarierten und bis ins Detail durchdachten Systems, das viele nützliche Lektionen bereithält – Letzteres freilich vor dem Hintergrund einer geschickten Nutzung der geopolitischen Lage, die die Zahl regulärer Asylanträge überschaubar hält.

Geteilte Finanzierung

Seit 1978 praktiziert Kanada ein System geteilter Finanzierung, das vor allem bei staatlichen Resettlement-Programmen, zum Teil aber auch auf der regulären Asylschiene zum Einsatz kommt. Für Resettlement, also die direkte Aufnahme anerkannter Flüchtlinge aus Krisengebieten, über die der Großteil der kanadischen Flüchtlingszuwanderung abgewickelt wird, stellt der kanadische Staat aktuell (2019) nur etwa 9000 staatlich finanzierte Plätze bereit. Für weitere 19.000 Personen werden private Sponsoren gesucht – engagierte Privatpersonen und Personengruppen beziehungsweise nichtstaatliche Organisationen, die den Integrationsprozess begleiten und die Bereitschaft zur Kostenübernahme für ein bis maximal drei Jahre aufbringen. Die kanadischen Erfahrungen mit dem System geteilter Finanzierung sind überaus positiv: Privat gesponserten Flüchtlingen gelingt eine raschere Integration sowohl sozial wie ökonomisch, sie werden effektiver regional verteilt, die Interaktionen im privaten Bereich erzeugen eine größere gesellschaftliche Akzeptanz. Auf Regierungsseite führt das Programm zu einer budgetären Entlastung und einem verbesserten Mitteleinsatz im staatlich finanzierten Bereich.

Unverdächtiges Engagement

Das lange Bestehen des Programms und die präzise Definition staatlicher und privater Anteile sorgen für einen klaren politisch-gesellschaftlichen Rahmen, heben privaten Mitteleinsatz heraus und machen ihn sichtbarer. Da das Gesamtsystem hervorragend funktioniert, fehlen in Kanada auch die notorischen Verdächtigungen humanitären Engagements, die die politische Debatte in Österreich vergiften und die Hilfsbereitschaft engagierter Privatpersonen und humanitärer NGOs herabwürdigen. Im Gegenzug wird freilich auch die Bereitschaft zur Kostenübernahme erwartet, die dem angloamerikanischen Gesellschaftsmodell nähersteht als der in Europa übliche etatistische Ansatz.

Damit zurück zu Österreich: Hierzulande werden Versorgung, Unterbringung und Integration von Flüchtlingen und Asylwerbern als überwiegend staatliche Aufgabe verstanden; auch die kirchlich verwaltete Caritas wird in staatlichem Auftrag tätig und für diese Leistungen staatlich entlohnt. Der kirchliche Träger sieht sich in diesem System bevorzugt logistisch und rhetorisch gefordert – in sehr viel geringerem Maß auch finanziell. Freilich ist eine finanzielle Privatinitiative für Flüchtlinge dann leichter zu erzielen, wenn diese eine klare Bleibeperspektive haben, wie sie Resettlement-Programme bieten. Doch es ist auch in keiner Weise ausgemacht, dass vor allem kirchliche Organisationen hier nicht systematischer eingebunden werden sollten. Die österreichische katholische Kirche – geschätztes, freilich nicht liquides Vermögen: 120 Milliarden Euro – profitiert seit Jahren von der konservativen Steueragenda mit niedrigen Grundsteuern und den seit einem Jahrzehnt nicht mehr eingehobenen Erbschaftssteuern, doch sie bringt sich finanziell nur in bescheidenem Maß ein. Wer sagt, dass die monetäre Seite dieser Form praktizierter Nächstenliebe eine dominant bis ausschließlich staatliche Aufgabe sein muss?

Eine Systemumstellung, die privates Engagement fördert und begünstigt, könnte so vor allem zweierlei bewirken: Sie würde staatliche Mittel freispielen, die etwa für die Wiederauflage von Resettlement-Programmen verwendet werden könnten – verstärktes Engagement in diesem Bereich wurde von Sebastian Kurz im Wahlkampf versprochen, doch das blaue Innenministerium legte die entsprechenden Programme nicht mehr auf -, und sie hätte einen regulierenden Effekt auf die Debatte, indem die Kostenseite verschiedener Forderungen nicht mehr ausschließlich von staatlichen Akteuren bedacht werden müsste.

Bester Zeitpunkt

Die Wiederaufnahme von Resettlement-Programmen – privat wie staatlich finanziert – würde schließlich auch zu einem besser steuerbaren Mix von Flüchtlingen führen und so manche negative Schlagzeile in eine positive Erfolgsmeldung umwandeln helfen. In Zeiten niedriger Antragszahlen ließe sich auch das zusätzliche Aufnahmevolumen argumentieren – vor allem dann, wenn private Mittel dafür zur Verfügung stehen. Wann, wenn nicht jetzt, wäre die Gelegenheit, das System auf neue Beine zu stellen? (Christoph Landerer, 7.1.2019)