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Bei sengender Hitze müssen die ausgesetzten Menschen einen Gewaltmarsch durch die Wüste absolvieren, um im Niger anzukommen.

Foto: AP Photo/Jerome Delay

Tausende Menschen wurden von algerischen Beamten in den vergangenen Monaten in der Wüste an der Grenze zum Niger ausgesetzt. Im Rahmen mehrerer Massenabschiebungen schickten die Behörden auch Frauen und Kinder auf einen Gewaltmarsch in die Einöde – teilweise bei Temperaturen weit über 40 Grad Celsius. Seit Mitte 2017 hat Algerien sein Vorgehen gegenüber afrikanischen Migranten und Flüchtlingen in beispielloser Manier verschärft und dabei abgewiesene Asylwerber in die beiden südlichen Nachbarländer Niger und Mali ausgewiesen.

Der jüngste bekannt gewordene Fall einer Sammelabschiebung in den Niger ist jedoch in dieser Form bisher einmalig und deutet auf eine weitere Verschärfung der Abschiebepolitik hin.

Palästinenser, Syrer und Jemeniten

Kurz nach Weihnachten waren 117 Menschen ins Grenzgebiet gebracht worden, die seit September in Sammelunterkünften im rund 2.000 Kilometer südlich von Algier gelegenen Tamanrasset untergebracht waren. Waren bislang vor allem Menschen aus dem Niger und westafrikanischen Staaten von den Abschiebungen betroffen, traf es diesmal 53 Menschen aus Palästina, 47 aus Syrien und 17 aus dem Jemen.

Einige der syrischen und palästinensischen Staatsangehörigen waren dabei bereits vor ihrer Ankunft in Algerien offiziell als Flüchtlinge registriert, bestätigt eine mit dem Fall vertraute Quelle, die anonym bleiben möchte. Die 17 Jemeniten hätten zudem im November Termine beim UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR gehabt, konnten diese jedoch nicht wahrnehmen, erklärt der Aktivist Martin Humphreys, der mit jemenitischen Flüchtlingen arbeitet, dem STANDARD. Bisher wurden Geflohene aus dem Jemen nach ihrer Ankunft in der Regel kurz festgenommen, anschließend freigelassen und konnten in Algier temporäre Aufenthaltstitel beantragen. Doch damit scheint es vorbei zu sein.

Algiers Aggression

Nachdem die algerische Menschenrechtsliga LADDH die Abschiebung der 117 Menschen als Verletzung der Genfer Flüchtlingskonvention bezeichnet hatte, reagierte die Regierung äußerst aggressiv. Die in der Presse kursierenden Berichte seien "fehlerhaft und irreführend", erklärte der Direktor für Migrationsangelegenheiten im Innenministerium, Hassan Kacimi. Die meisten dieser Menschen seien keine Migranten, sondern syrische Staatsbürger, die sich als Migranten ausgegeben hätten, obwohl sie Mitglieder der zuvor im syrischen Aleppo aktiven Freien Syrischen Armee seien, so Kacimi. Für seine Behauptung konnte er keine Beweise vorlegen. Die Menschen aus Palästina und dem Jemen erwähnte er gar nicht.

Ferner wies er Vorwürfe zurück, wonach Algerien diesen Menschen den Asylantrag verweigert habe. Diesen hätten die "Jihadisten" in der Türkei stellen können, wenn ihr Leben wirklich in Gefahr gewesen wäre. "Arabische Migranten durchqueren Länder wie die Türkei, Ägypten, den Sudan, Mauretanien, Mali oder den Niger, ohne politisches Asyl zu beantragen. Wenn du wirklich bedroht wirst, dann bleibst du im ersten Land, in dem du ankommst", sagte der Beamte der Nachrichtenseite "TSA Algérie". Er erklärte, die Menschen seien "unter dem Schutz terroristischer Gruppen in den Norden Malis" und von dort nach Algerien eingereist. "Stehen wir vor einem Migrationsproblem oder vor Terroristen, die einen humanitären Vorwand nutzen, um nach Algerien einzudringen?", fragt Kacimi.

Normalisierung zu Assad

Damit übernimmt Algeriens Regierung nicht nur eine in Europa bekannte und der umstrittenen Dublin-Verordnung zugrunde liegende Argumentation, sondern versucht arabische Migranten pauschal mit Terroristen gleichzusetzen. Laut "TSA Algérie" wird die Regierung fortan systematisch alle arabischen Migranten zurückweisen, die über die südlichen Grenzen einreisen. Ziel dieser Politik dürfte es sein, die Grenzen grundsätzlich weiter dichtzumachen, aber auch die Normalisierung zum Regime von Syriens Präsident Bashar al-Assad, mit dem Algier die Beziehungen nie abgebrochen hatte, voranzutreiben. Denn dieses betrachtet Menschen, die vor dem Bürgerkrieg geflohen sind, grundsätzlich mit Argwohn. (Sofian Philip Naceur, 8.1.2019)