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Kunststoff sorgt für weltweit 85 Prozent aller Abfälle in den Ozeanen. Minütlich landet eine weitere Lastwagenfuhr Plastik im Meer.

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Für die einen ist es ein markanter Schlussstrich gegen die Vermüllung, für die anderen eine Beruhigungspille ohne tief gehende Wirkung. Österreichs Regierung macht im Kampf gegen das Plastiksackerl ernst. Ab 2020 ist es im gesamten Handel verboten. Ausnahmen gibt es keine, am Zeitplan wird nicht gerüttelt.

Ab dem kommenden Jahr soll in Österreich ein Verbot für Einweg-Plastiksackerln gelten. Zu diesem Thema hat am Dienstag ein Gipfeltreffen im Bundeskanzleramt stattgefunden. Die Politik will das Vorhaben wie geplant umsetzen. Handel und Wirtschaft zeigen sich positiv, drängen aber auf konkrete Verhandlungen.
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Ein Plastikgipfel, zu dem Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) am Dienstag Experten und Beteiligte rief, versprach einen Austausch der Ideen. Der Höhepunkt des an Journalisten und Kameras reichen Events: Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), FPÖ-Regierungskoordinator Norbert Hofer und Köstinger stellten sich einhellig gegen die Wegwerfgesellschaft. Sie betonten die Bedeutung der Abfallvermeidung, regten zum Nachdenken über Verpackung an und sahen sich in der EU mit gutem Beispiel vorangehen.

Taten fehlen

Konkrete Taten fehlten. Gesetzestexte dazu gibt es nach wie vor keine. Auch Zeitpläne blieb man schuldig. Rund ums Sackerl soll es im ersten Halbjahr etwas Handfestes geben, hieß es hinter den Kulissen. Wann ein Fahrplan zur Reduktion der Plastikverpackungen stehen soll – Österreich verspricht den Verbrauch bis 2025 um 20 bis 25 Prozent zu senken – blieb ebenso offen wie der Weg dorthin. Ob dafür gesetzlich eingegriffen, wird oder es bei freiwilliger Selbstverpflichtung bleibt, darüber kann nur spekuliert werden. Fix ist seit dem Gipfel allein: Es wird Arbeitsgruppen geben.

Gerhard Vogel, Experte für Abfallwesen der Wirtschaftsuniversität Wien, erinnert das bevorstehende Plastiksackerlverbot an einen Placeboeffekt: Die Säcke sorgten in Summe für weit weniger als die Hälfte des Mülls, der sich aufgrund von Plastikflaschen auftürme. Diese Flut einzudämmen, wäre seiner Ansicht nach die richtige Antwort auf das wachsende Kunststoffproblem, wie er im Gespräch mit dem STANDARD sagt. "Seit gut zehn Jahren rufen wir danach, jetzt gibt es den geeigneten Rückenwind dafür."

Pfand für PET-Flaschen

Vogel appelliert an ein Pfandsystem für PET-Flaschen, das in Deutschland schon seit Jahren im Handel praktiziert wird. Ins Treffen führt er zudem das norwegische Modell, bei dem die Industrie für Verpackungen eine Strafsteuer zahlt. Lob für Österreichs gelbe Sammeltonnen, auf die sich die Wirtschaft gern beruft, hat er wenig übrig. In Wien würden damit nur 40 Prozent der Flaschen erfasst, der Rest lande im normalen Abfall. "Damit sind wir weit weg von den Zielen der EU." Aber auch was in den gelben Tonnen lande, werde keineswegs zu hundert Prozent recycelt. "Die Sortierverluste sind nach wie vor groß."

Weltweit werden minütlich gut eine Million PET-Flaschen produziert, derer man sich meist nach wenigen Minuten Gebrauch entledigt. Coca-Cola, Pepsi und Nestlé dominieren den Flaschenmüll.

Stephan Schwarzer, Leiter der Abteilung Umwelt in der Wirtschaftskammer, warnt angesichts des Pfandsystems aber vor "enormer Belastung des Handels". Die Rückgabeautomaten kosteten Milliarden, der zeitliche Aufwand sei hoch. Österreichs Sammelsystem funktioniere auch so sehr gut.

Höhere Sammelquote

Die EU hat sich rund um Plastikflaschen keine Reduktionsziele gesteckt. Was sich jedoch bis 2029 auf 90 Prozent erhöhen soll, ist die Sammelquote. Dies bedeutet aber nicht per se mehr Recycling, erläutert Lisa Kernegger, Expertin der Umweltorganisationen Global 2000. Auch sie sieht in der Vermeidung von Verpackung und PET-Flaschen den eigentlichen Hebel im Kampf gegen Plastikmüll. Die Säcke allein sorgten nur für zwei Prozent des Plastikabfalls. Der Kampf dagegen habe vor allem symbolischen Charakter.

Entscheidend dabei wird, welche Materialien das Plastiksackerl künftig ersetzen. NGOs drängen vehement zu Mehrweglösungen.

Der Handel unterstützt die Umsetzung des Sackerlverbots. Die Übergangsfristen sind, wie Rainer Will, Chef des Handelsverbands, betont, aber äußerst "knackig". Er drängt einmal mehr auf fairen Wettbewerb mit Onlinehändlern. Auch Internetanbieter und Marktplätze gehörten regulatorisch eingebunden. (Verena Kainrath, 8.1.2019)