Der tschechische Theater- und Filmschauspieler Karel Dobrý beweist als König Ottokar von Böhmen vor allem zu Pferde seine ritterlichen Fähigkeiten.

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Die Darstellung von Macht hat in Zeiten Donald Trumps an Facetten dazugewonnen. Jede Lächerlichkeit scheint möglich bei gleichzeitig rigoroser politischer Schlagkraft. Dušan David Pařízeks König Ottokars Glück und Ende ist gewiss keine Persiflage auf den US-amerikanischen Präsidenten.

Und doch ist seine neue, denkwürdige Inszenierung am Volkstheater klar ein Produkt der (Post-)Trump-Zeit. Solch läppische, indes insgeheim berechnende Schmunzelmonster haben im Trauerspiel von Franz Grillparzer über den österreichischen Gründungsmythos noch selten das Wort erhoben. Im Gegenteil, die Sache ist heikel, liegt in dem von einer staatstragenden Rezeptionsgeschichte (Eröffnungsstück bei der Wiedereröffnung des Burgtheaters 1955) begleiteten Stück doch viel Potenzial für verletzten Nationalstolz.

Sturschädel versus Diplomat

Grillparzer beschreibt den Beginn des habsburgischen Weltreiches im 13. Jahrhundert, als die Herzogtümer Österreich, Steiermark und Kärnten mit Krain und Pordenone dem übermächtigen böhmischen König Ottokar II. entzogen wurden bzw. in das Reichsgebiet des römisch-deutschen Königs Rudolf I. eingingen. Es ist der Kampf zweier Machtmenschen mit jeweils mehr oder weniger diplomatischem Instinkt. Stolpert Ottokar (Karel Dobrý) als heißblütiger Sturschädel über seine eigenen frechen Entscheidungen, so nimmt in diesem Machtspiel der entspannte Habsburger Rudolf (Lukas Holzhausen) mit Witz und kluger Taktik eine Kurve nach der anderen.

Ottokars Pferdestärke

Im Volkstheater, wo eine riesige Bretterwand die Bühne schräg teilt, kommt Ottokar anfangs auf einem Schimmel thronend an die Rampe geritten. Das Parkett ist gebannt. Der Walach erleichtert sich um ein paar Knödel. Der Kanzler (Gábor Biedermann) nimmt sich mit Schaufel und Besen sogleich der Sache an. Ottokars Reich läuft scheinbar (noch) wie geschmiert.

Doch dass er sich für den ersehnten Erben eine neue Prinzessin (Anja Herden) angelt und seine Gattin, Margarethe von Österreich (Rainer Galke in einem Zelt aus Hermelin), unschön vor die Tür setzt, lässt bei den Rittern Unmut aufkommen. Und dass er den Krumauern Budweis vor die Nase baute, erzürnt wiederum das böhmische Geschlecht der Rosenbergs. Et cetera. Ottokar verliert den Rückhalt in den eigenen Reihen, sodass schließlich Mister Smiley, also der Habsburger Rudolf, die Königswahl gewinnt.

In dieser Gegenüberstellung beginnt die Inszenierung Spannung zu entwickeln und allmählich kenntlich zu werden – als Spiel mit den trügerischen Kleidern der Macht. Es glitzern keine Goldkronen, es blitzen keine Schwerter mehr, nur die Blechtrompete des Souffleurs trötet hin und wieder. Es heißt vielmehr: Aufmarsch der Kapuzenpullis! (Kostüme: Kamila Polívková). Ein Zitat der heute üblichen Lässigkeit, das klassische Machtinsignien gezielt unterläuft (man denke an Mark Zuckerberg).

Ausgeprägte Dialektformen

Man begrüßt einander mit "Hoj!" oder "Ahoi!" und bezeigt sich gegenseitig profundes Missverstehen durch überstrapazierte Dialektformen. Ein Ausdrucksspezifikum, das Regisseur Pařízek gern einsetzt, hier aber richtig auf die Spitze treibt. Und er kann aus dem Vollen schöpfen: Der tschechische Schauspieler Dobrý (Ottokar) spricht zwar fließend Deutsch, aber mit böhmischem Akzent. Thomas Frank als tollpatschiger Seyfried repräsentiert gekonnt das Idiom des (steirischen) Volkes; Anja Herden improvisiert Ungarisch, und Rainer Galke liefert in der Rolle des Wiener Bürgermeisters eine vokale wie performative Glanznummer – als Nacktbadender an der Alten Donau. Gruß an Michael Häupl!

Den Vogel aber schießt Lukas Holzhausen als König Rudolf ab. Dem Schweizer Stammsitz der Habsburger entsprechend (Habichtsburg im Aargau) gibt Holzhausen auf Schwyzerdütsch Gas. Der König lässt sich "Ruedi" rufen und Bussi geben. Für eine Unterredung beansprucht er nicht mehr als die Hälfte (!) eines Holzsessels und gebärdet sich auch sonst rundum Gutmensch-like.

Trotteliges Antlitz der Macht

Pařízek schrumpft hier die allergrößte Macht auf einen stets lachenden, unbändig höflichen und gar ein wenig trottelig erscheinenden Menschen im senfgelben Samtanzug. Ihm aber gelingt es – eine zentrale Szene –, Ottokar wortwörtlich in die Knie zu zwingen. Trotz einiger Unstimmigkeiten in den Spiel- und Sprechweisen ist dieser Ottokar eine der mutigsten und überzeugendsten Volkstheater-Arbeiten dieser Saison am großen Haus.(Margarete Affenzeller, 9.1.2019)