Werner Biller präsentierte dem U-Ausschuss erstmals tiefe Einblicke in die BVT-Ermittlungen.

Foto: Martin Juen

Eigentlich hätte dieser Tag im U-Ausschuss recht langweilig werden sollen. Das erwarteten sich zumindest Oppositionspolitiker und anwesende Journalisten, die sich etwas missmutig vor dem Plenum einfanden – noch dazu in sehr geringer Zahl.

Doch was dann folgte, war wohl eine der drei aufregendsten Zeugenbefragungen dieses U-Ausschusses. Denn der Korruptionsjäger Werner Biller vom Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK) nahm sich kein Blatt vor den Mund, was die aktuellen Ermittlungen gegen hochrangige (Ex-)Beamte betraf.

BVT-U-Ausschuss: Private Personenliste gefunden
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Biller, der die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) als Ermittler unterstützt, sorgte mit seinen Aussagen vor allem bei der ÖVP für erhöhte Nervosität. Denn die von Biller offengelegten Ermittlungsergebnisse belasteten primär ÖVP-nahe Beamte.

So gab Biller auf präzise Fragen von Peter Pilz bekannt, dass Ermittler bei dem ehemaligen BVT-Referatsleiter P. Daten von "hunderten Personen", nämlich "Managern, Ministern, Polizisten und Justizpersonal", gefunden haben, die aus den Datenbanken der ÖVP stammen. Es handelt sich dabei um interne Personaldatenbanken, die mit der Wählerevidenz abgeglichen wurden. Die Weitergabe dieser Informationen ist nicht erlaubt. Sie sollen um Daten wie E-Mail-Adressen und Telefonnummer erweitert worden sein. Gleichzeitig entdeckte man auf der Website der ÖVP einen Zugang zu einer Datenbank.

"Private Datenbank der ÖVP"

Nun steht der Verdacht im Raum, dass die ÖVP P. Daten weitergeleitet hat, die P. anschließend mit anderen Informationen anreicherte und wieder zurückspielte. Allerdings befinde man sich erst am Anfang der Ermittlung, schränkt Biller ein. Für P. gilt die Unschuldsvermutung, er weist die Vorwürfe zurück.

ÖVP-Fraktionsführer Werner Amon sieht "den großen Skandal nicht". Er schloss aus, dass P. Daten an die ÖVP weitergab oder Zugriff auf ÖVP-Datenbanken hatte. In diese Kerbe schlug auch ÖVP-Kommunikationschef Jochen Prüller: "P. hatte nie die Berechtigung für die Adressverwaltung." Außerdem sollen keine Daten eingespeist worden sein. P.s Anwalt Otto Dietrich bezeichnete die Vorwürfe in einem Statement als falsch, es handle sich um "in die Öffentlichkeit getragene Interpretationen und Wertungen eines Ermittlers".

P. und der ÖVP-Abgeordnete Amon sollen befreundet sein, sie haben regelmäßig miteinander kommuniziert. Deshalb forderte im Winter FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache schon Amons Rückzug aus dem U-Ausschuss.

Oppositionspolitiker sprachen von einer "privaten ÖVP-Datenbank" und "höchst besorgniserregenden Vorgängen". Der Datenschützer Max Schrems kündigte auf Twitter eine Abfrage nach dem Datenschutzgesetz an. Er wolle wissen, welche Daten die ÖVP über ihn gespeichert habe. Zuständig für die Sicherheit der Daten war die ÖVP als Betreiber der Datenbank.

Der verschwundene Akt

Im Visier der Ermittler steht auch der ehemalige langjährige Kabinettschef Michael Kloibmüller. Hier geht es unter anderem um dessen Kontakt mit dem deutschen Privatermittler Werner Mauss, der vor anderthalb Jahren nicht rechtskräftig zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden ist.

Mauss soll auch in Österreich tätig gewesen sein, etwa bei Geiselbefreiungen. Dafür soll er Geld vom Innenministerium erhalten haben. Im berüchtigten Konvolut wird Kloibmüller unterstellt, Rückflüsse von Mauss' Honorar erhalten zu haben – es gilt die Unschuldsvermutung.

Um den Vorwürfen nachzugehen, wollte die Staatsanwaltschaft deshalb Akten dazu einsehen. Konkret ging es um eine Anfrage der Geldwäschemeldestelle in Luxemburg, die ihr österreichisches Pendant nach Informationen zu Zahlungen an Mauss fragte.

Die Suche danach dauerte äußerst lange, offenbar war es zu Manipulationen des Aktes gekommen, sagte Biller. Überraschend für ihn war, dass Kloibmüller im Juli des vergangenen Jahres zu einer Zeugeneinvernahme mit dem Akt auftauchen konnte. Da er zu diesem Zeitpunkt schon monatelang nicht mehr im Innenministerium tätig war, hätte er legal eigentlich keinen Zugriff auf den Akt haben können, so Biller.

ÖVP-Netzwerk

Hier vermuten die Oppositionsparteien erneut, dass ein ÖVP-Netzwerk die Hand im Spiel hatte. So soll der Nationalratspräsident und ehemalige Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) kurz zuvor Akten aus dem Staatsarchiv angefordert haben. Das steht jedem ehemaligen Minister zu. Die Opposition sieht nun einen Zusammenhang mit Kloibmüllers Zugriff auf den Akt.

Sobotka verweist auf eine Anfrage der WKStA, derentwegen er den Akt ausgehoben habe. Kloibmüllers Anwalt Richard Soyer sagt dem STANDARD, dass sein Mandant ihm eine Kopie eines Aktenbestandteils nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens übergeben habe, um "bei Rückfragen vorbereitet zu sein". Sobotka habe damit nichts zu tun, so Soyer. Der originale Akt sei ordnungsgemäß im Ministerium verblieben.

Kurz vor dem Abschluss dürfte hingegen die Causa Nordkorea stehen. Laut Biller gibt es Hinweise darauf, dass Nordkoreaner durch BVT-Beamte widerrechtlich observiert worden sind.

Auch die Weitergabe nordkoreanischer Passrohline an den südkoreanischen Geheimdienst könnte illegal gewesen sein, hieß es. Hier steht ebenfalls der ehemalige Referatsleiter P. unter Druck.

Teil 2 des U-Ausschusses

Die Erkenntnisse liefern einen ersten Ausblick auf das zweite Kapitel des U-Ausschusses, das sich mit "schwarzen Netzwerken" beschäftigen soll. Dabei werden mehrere Themenkomplexe eine Rolle spielen:

TIERSCHÜTZERPROZESS

Die Oppositionsparteien wollen untersuchen, inwiefern durch ÖVP-nahe Beamte Interessen der Firma Kleiderbauer vertreten wurden, die das Ziel von Protesten von Tierschützern wurde. Damals folgten umfassende Ermittlungen durch den Verfassungsschutz und ein spektakulärer Prozess nach dem "Mafia-Paragrafen" – samt Freispruch für die Tierschützer. Akten deuten darauf hin, dass Kleiderbauer-Manager an Sitzungen im Innenministerium teilnahmen.

POSTENSCHACHER

Hat die Volkspartei Einflussnahme auf Postenbesetzungen im BVT genommen? Das steht im Raum. Zeugen sagten bereits aus, dass Personalwünsche aus dem Kabinett kamen und höher qualifizierte Bewerber deshalb das Nachsehen hatten.

PRIVATE ARCHIVE

Oppositionspolitiker wollen prüfen, ob ÖVP-nahe Beamte private Archive mit Akten angelegt haben, etwa aus dem Kabinett oder dem BVT selbst, oder ob sie Informationen der Behörden an Parteiangehörige weitergegeben haben.

AMTSMISSBRAUCH

Im berüchtigten Konvolut wird behauptet, dass aus dem Kabinett des Innenministeriums in ÖVP-Zeiten gezielt Informationen über bestimmte Causen an Medien weitergegeben wurden. Der Anwalt Gabriel Lansky vermutete etwa, dass das BVT interne E-Mails aus seiner Kanzlei nach außen spielte. (fsc, lhag, 10.1.2019)