"Mein Anliegen ist, jungen Frauen zu vermitteln, dass sie daran glauben können, dass eine Karriere mit Familie möglich ist."

Foto: Helmut Mitter

"Ob es einsam ist an der Spitze? Nein. Das hängt doch von der jeweiligen Person ab – ich brauche die Nähe zu Menschen, ich mache alles gerne, was mit Menschen zu tun hat. Richtig aufblühen sieht man mich wahrscheinlich, wenn ich bei Community-Visits bin, Länder-Reviews mache. Die Grundfesten meiner Leadership sind Vertrauen und Transparenz. Konsequenz und Fairness. Ja, mit 'agil' kann ich viel anfangen, ich arbeite so – rufe lieber an, statt viele Jour fixes zu machen. Vieles ist allerdings durch Regulatorien limitiert ...

Ich war 14 oder 15, als ich ein Wirtschaftsstudium beschlossen hatte, ich wollte dann in die Markenartikelindustrie und habe mich als Praktikantin bei Henkel im Vertrieb beworben. Das war vor 27 Jahren. Mich hat die Kultur des Familienunternehmens angezogen – wir kümmern uns umeinander, wir pflegen eine kollektivistische Kultur. Ja klar war das auch eine Männerkultur im Vertrieb – ich hatte allerdings einen super Mentor. Nach zwei Jahren habe ich gemerkt, ich sollte schon auch ins Marketing, wenn ich weiterkommen will. Meine erste General-Management-Position hatte ich in Tschechien, ich hatte aber immer in Wien meinen Wohnsitz. Einen 'Das musst du so und so machen'-Karrierepfad gibt es bei Henkel nicht. Ich konnte es so machen, wie es für mich gut und richtig war. Acht Jahre war ich dann in Österreich und habe lokal praktisch alles gemacht, Osteuropa mitaufgebaut, zwei Jahre Head of Key Accounts, die erste Frau als Verkaufsleiterin.

Hart im Nehmen

Rückblickend war die coolste Zeit, die Firmen in CEE neu aufzustellen. Wie ich das gemacht habe? Mit Kompetenz. Ja, hart im Nehmen muss man schon auch sein, das bin ich wohl. Nach Verantwortung für die Ländersteuerung und das Marketing bin ich vier Jahre nach Deutschland gegangen. Es war klar, wenn ich aufsteigen will, die Nachfolge von Günter Thumser antreten, dann muss ich das machen – das war sehr lehrreich, ich bin aber auch gerne wieder zurückgekommen.

Möglich war das mit unserem Sohn, weil mein Mann sich selbstständig gemacht hat und den größeren Teil dieser Familienarbeit übernommen hat. Vereinbarkeit für Mütter bedeutet, es gehört ein selbstsicherer Partner dazu, der da mitgeht. Mein Sohn ist jetzt 15 – damals war alles ja nochmal ganz anders, es gab auf Herrentoiletten beispielsweise keine Wickeltische. Österreich und Deutschland sind jetzt noch unterentwickelt in puncto Frauenkarrieren und Familienbild – das ist ein großer Wunsch von mir, dass wir da zu Änderungen, zu Weiterentwicklung kommen. Im Unternehmen haben wir etwa 34 Prozent Frauen in Führungsfunktionen – das ist besser als viele andere, aber nicht gut genug.

Mein Anliegen

Ich bin sehr intensiv im Mentoring tätig – vor allem ab 30 ist der Bedarf bei Frauen groß, wenn es dann tatsächlich auch um Kinder geht. Natürlich geht es auch darum, in der Nachfolgeplanung explizit Frauen auf die Listen zu setzen. Mein Anliegen ist, jungen Frauen zu vermitteln, dass sie daran glauben können, dass eine Karriere mit Familie möglich ist.

Netzwerke? Im Unternehmen selbstverständlich, ich selbst hatte bis vor fünf Jahren kein externes Netzwerk, dann habe ich den Kurs Zukunft Frauen gemacht als Impuls für mich. Ich erhalte eine Menge Einladungen in meiner Funktion, mache das aber sehrt dosiert, ich bin ja sowieso viel in den Ländern unterwegs und möchte nicht mehr als drei Abende pro Woche nicht zu Hause sein – mein Sohn geht ja noch in die Schule." (Gesprächsprotokoll: Karin Bauer, 14.1.2018)