Nachdem er jahrelang im Konzerthaus tätig war, wirkt Daniil Trifonov in dieser Saison zur Abwechslung als Residenzkünstler des Wiener Musikvereins. Dort wird der Ausnahmepianist im Juni ein von ihm komponiertes Klavierkonzert interpretieren (mit dem ORF RSO Wien); im Februar gibt der Russe im Großen Saal einen Soloabend (mit Werken von Beethoven, Schumann und Prokofjew), und kurz davor spielt er mit dem London Symphony Orchestra und Sir Simon Rattle noch Maurice Ravels G-Dur-Klavierkonzert.

Am Mittwochabend interpretierte Trifonov mit den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Alain Altinoglu das vierte Klavierkonzert des von ihm bewunderten Sergej Rachmaninow.

Lokalpatriotismus

Der 27-Jährige probiert gern unterschiedliche Klaviermarken aus und wählte für seinen ersten von vier Auftritten in dieser Woche einen Bösendorfer. Ein Zeichen von Lokalpatriotismus, aber kein Glücksgriff: Trifonovs Arbeitsgerät erwies sich bei den Tutti-Stellen als nur begrenzt durchschlagskräftig, der Solist versank mit seinen Doppeloktaven oft in den aufgewühlten Orchesterfluten. Bei den ruhigeren Passagen hatte der Konzertflügel ab dem Mezzoforte aufwärts einen unangenehm harten Martellato-Klang: insgesamt eine unbefriedigende, unrunde Angelegenheit.

Vom Klanglichen abgesehen waren jene Passagen am eindrucksvollsten, in denen Trifonov die ihm innewohnende vulkanische Glut entladen konnte, so etwa in der bissig und eruptionsartig präsentierten Steigerung auf der Dominante im Finalsatz des vierten Klavierkonzerts.

Hart gemeißelt

In Trifonovs bejubelter Zugabe, der Vocalise von Rachmaninow, klang der Furor des Finales nach und wühlte die schlichte Melancholie des rührenden Stücks ein wenig vorschnell auf. Zuvor hatte der Pianist in den lyrischen Passagen des Mittelsatzes sehr auf eine hart herausgemeißelte Melodie gesetzt und weniger auf Farbe, Wärme und Innigkeit. Seltsam, aber dieses Stück hat Yuja Wang im April letzten Jahres im Konzerthaus, obwohl gesundheitlich angeschlagen, stimmiger und vielgestaltiger hinbekommen.

Mit Altinoglu, der an der Staatsoper zuletzt Hector Berlioz' Großwerk Les Troyens dirigiert hat, pflegten die Wiener vor und nach Trifonovs Auftritt mit Debussys Prélude à l'après-midi d'une faune und Ravels zweiter Suite aus Daphnis et Chloé das französische Repertoire – was ihnen nicht so leicht von der Hand geht wie ein Bruckner. Unter der Leitung des französischen Musikdirektors der Brüsseler Opéra de la Monnaie wurden die Paradewerke des Impressionismus recht akkurat wiedergegeben, aber man misste Parfum, Laszivität und Narkose. Die Suite von Nikolai Rimski-Korsakows Oper Der goldene Hahn erinnerte als Werk ein wenig an eine Sauce ohne Braten. Finale Begeisterung für den Ravel, nachdem die Publikumsresonanz auf Debussy und den Goldenen Hahn doch recht lau ausgefallen war. (sten, 10.1.2019)