Ednan Aslan, Professor für islamische Religionspädagogik an der Uni Wien, wünscht sich eine "innerislamische Debatte ohne Opferrolle".

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Das Kopftuch könne und solle ein Thema in der Integrationsdebatte sein, aber nicht das alleinige, warnt Ednan Aslan. Davon profitierten vor allem die politischen Islamverbände, aber nicht die eigentlich Betroffenen, nämlich die muslimischen Frauen.

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Wien – Ein halbes Jahr im europäischen Rampenlicht, ein halbes Jahr verschenkt, um sich breitenwirksam "für einen Islam europäischer Ebene einzusetzen": So resümiert Ednan Aslan, Professor für islamische Religionspädagogik an der Uni Wien, Österreichs EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2018. Er kritisiert im STANDARD-Gespräch, dass die ÖVP-FPÖ-Regierung, die das Thema Integration besonders forciert, diese politische Chance, die islamische Debatte voranzutreiben, ungenutzt verstreichen ließ: "Denn nur durch die Entwicklung und Etablierung eines Islam europäischer Prägung können wir den politischen Islam in unseren liberalen, demokratischen Gesellschaften einschränken. Das war leider kein Thema."

Dafür ist das Kopftuch für Mädchen ein Thema, das die Regierung nach dem Verbot in Kindergärten auch gerne aus den Volksschulen verbannen möchte. Dagegen spricht aus Aslans Sicht auch nichts, aber ihn stört die Reduktion der integrationspolitischen Debatte auf das Kopftuchverbot. Damit spiele die Regierung nämlich just jenen konservativen Islamverbänden in die Hände, gegen die sie eigentlich aktiv werden wolle: "Das Kopftuch kann und sollte Thema eines umfassenden Integrationskonzepts sein, aber wenn es als dominierende Maßnahme präsentiert wird, dann wird nicht deutlich, wohin man damit eigentlich will. Wir müssen uns ja fragen, welchen Islam wollen wir diesen Menschen, die wir vor dem politischen Islam warnen, denn anbieten?"

Muslimische Frau ist gleich islamisches Leben

Die Fokussierung auf das Kopftuch brauche überdies gar nicht von außen befeuert zu werden, sagt Aslan: "Das ist eine ständige innerislamische Debatte, denn die muslimische Gemeinde hat das islamische Leben auf das Kopftuch reduziert. Die muslimische Frau repräsentiert das islamische Leben. Das Kopftuch wurde zum Symbol für islamisches Leben gemacht – und wer gegen dagegen auftritt, tritt dann quasi gegen alle Muslime auf."

Darum, so sagt Aslan, seien die organisierten Muslime – also die Verbände, aus denen sich die Islamische Glaubensgemeinde in Österreich (IGGIÖ) zusammensetzt – "sehr froh, dass die Regierung das Kopftuch als lebendiges Thema erhält, weil diese politischen Islamverbände von der Kopftuchdebatte profitieren".

Der Wahlerfolg der AKP etwa, der Partei des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, "ist dem Kopftuch zu verdanken, weil es nicht nur die Haare der Frauen verhüllen, sondern auch verschiedene Missstände in der Politik verschleiern soll. Das Kopftuch ist das Thema des politischen Islam. Es ist für ihn die zentrale Möglichkeit, seine Existenz abzusichern", kritisiert der Vorstand des Instituts für Islamisch-Theologische Studien an der Uni Wien.

Er wünscht sich einen anderen Fokus für die Kopftuchfrage: "Es geht vor allem darum, dass die muslimischen Frauen für sich eine freie Entscheidung treffen können und nicht nur stellvertretend für alle Muslime auch die ganze Islamdebatte buchstäblich verkörpern müssen. Jetzt muss die muslimische Frau als Zeichen die gesamte gesellschaftliche Last tragen."

Frauen nur fürs Mobilisieren und Spendensammeln

In den offiziellen Strukturen der muslimischen Gemeinde, etwa der IGGiÖ, seien Frauen hingegen eigentlich nur für die Mobilisierung von Frauen für die politischen Islam-Organisationen und zum Spendensammeln abgestellt: "Aber wenn es ernst wird, haben wir keine Frauen in der muslimischen Gemeinde, die in der Verwaltung wirksame, wichtige Aufgaben erfüllen", kritisiert Aslan.

Er sieht Musliminnen doppelt instrumentalisiert – innerislamisch von den politischen Islamverbänden, denen der Streit über das Kopftuch sehr zupass komme, und eben von der Regierung, die das Kopftuchthema stetig speise. "Es ist eine Debatte über die Frauen, nicht für die Frauen. Muslimische Frauen sind Opfer der Kopftuchdebatte."

Sinnvoller und wichtiger wäre eine grundlegende Debatte, was überhaupt unter Integration verstanden werden solle und "ob man mit dem Kopftuchverbot den richtigen ersten Schritt gesetzt hat oder ob nicht andere Maßnahmen richtiger gewesen wären", sagt Aslan. Er plädiert aber auch dringend "für eine innerislamische Debatte ohne Opferrolle". (Lisa Nimmervoll, 11.1.2019)