Auf Rapa Nui standen früher vermutlich einmal rund 1000 solcher steinernen Figuren namens Moai. Warum sie an welchen Stellen errichtet wurden, könnte nun geklärt worden sein.

Eugene/Wien – Die riesigen Steinfiguren auf Rapa Nui, wie die Osterinsel in der Sprache ihrer Ureinwohner heißt, faszinieren Forscher und Entdecker seit Jahrhunderten. Für die Megalithe, die im Original Moai genannt werden, gibt es mehr oder weniger beliebig über die Insel verteilte Plattformen namens Ahu, die vermutlich als rituelle Zeremonienstätten genützt wurden.

Rund um die riesigen Steinfiguren und die Plattformen gibt es zahllose Geheimnisse, die in den letzten Jahren nach und nach von Archäologen gelüftet werden konnten. So konnte man unter anderem experimentell rekonstruieren, dass die tonnenschweren Statuen wahrscheinlich in einer Art "Wackelgang" transportiert wurden.

National Geographic

Nicht unumstritten ist die These des US-Forschers Jared Diamond, dass der enorme Ressourcenverbrauch, der für die Herstellung der Moai nötig war, die ökologische Grundlagen der Insel zerstört und zu Kannibalismus unter den Bewohnern geführt habe. Dem entspricht, dass Anfang des 17. Jahrhunderts vermutlich noch 15.000 Menschen auf der Insel gelebt hatten, während 1722, als erstmals Europäer die Insel betraten, nur noch 2.000 bis 3.000 übrig waren.

Das erste von einem Europäer gemalte Bild der Steinstatuen von Rapa Nui mit den dazugehörigen Plattformen, gemalt von William Hodges in den Jahren 1775/76.
Bild von William Hodges, gemeinfrei

Geheimnisse rund um die Moai

Es gibt aber noch weitere offene Fragen, die mit den riesigen Steinfiguren verbunden sind: Warum sind sie überhaupt errichtet worden? Und warum stehen sie da, wo sie stehen? Die geläufigste Erklärung ist die, dass damit den Vorfahren sowie den Häuptlingen der streng in Kasten eingeteilten Gesellschaft gehuldigt wurde.

Noch rätselhafter ist die Ortsverteilung, denn einerseits gibt es die meisten Moai in unmittelbarer Küstennähe, den Blick vom Meer abgewandt. Andererseits gibt es einige Moai im Inselinneren mit Blick auf das Meer. Die Ahu in Küstennähe wiederum gelten als eine Art rituelle Begräbnisstätte, um mit den Toten spirituelle Verbindung zu halten. Die Steinfiguren darauf blickten vermutlich auf die ehemaligen Siedlungen.

Eine Karte der Osterinsel mit der Verteilung der Plattformen und Moai.

Nun aber gibt es eine neue Erklärung, die ebenfalls auf eine zentrale Ressourcenproblematik der Insel verweist: Ein interdisziplinäres US-Forscherteam behauptet in einer im Fachblatt "PLoS One" veröffentlichten Untersuchung, dass die Ahu strategisch in der Nähe von Quellen errichtet wurden. Die Wissenschafter um Robert DiNapoli (University of Oregon in Eugene) vermuten zudem, dass die Größe der Plattformen womöglich mit der Bedeutung der Süßwasservorkommen zu tun hatte.

Streng reglementierte Wassernutzung

Dass die Versorgung mit Wasser und der sorgsame Umgang mit der auf der Insel raren Ressource von elementarer Bedeutung waren, hatte erst vor kurzem ein Team des Deutschen Archäologischen Instituts herausgefunden. Die deutschen Forscher kamen aufgrund von Grabungen zum Schluss, dass die Wasserversorgung streng reglementiert war und der Wasserverschwendung durch strenge Tabus vorgebeugt wurde. Spirituelle und symbolische Praktiken waren also offensichtlich mit dem pragmatischen Kampf ums Überleben verbunden – und das scheint auch für die Standorte der Ahu zu gelten, wie das Team um DiNapoli herausfand.

Die Forscher konzentrierten sich bei ihren Untersuchungen auf den Osten der Insel, wo es 93 megalithische Plattformen gibt. Für diese Gegend sind aber auch die verschiedenen Ressourcen für das 18. Jahrhundert gut kartiert. Die Analysen zeigten, dass die beste Erklärung für die Ahu-Standorte die Nähe zu Süßwasserquellen ist. So lässt sich auch verstehen, warum die Plattformen sowohl im Inland als auch an der Küste vorkommen.

Süßwasserquellen in Küstennähe

Auf der Insel gibt es nämlich so gut wie keine Bäche. Ein Gutteil des Wassers versickert im Boden und tritt erst in unmittelbarer Küstennähe wieder aus. Solche Quellen, die direkt am Meer gelegen sind, sieht man entsprechend nur, wenn Ebbe herrscht. Und sie erklären auch, warum Pferde auf Rapa Nui an bestimmten Stellen aus dem Meer trinken – eben weil es an diesen Stellen Süßwasser gibt.

Panoramaaufnahme von Anakena an der Nordküste der Insel mit zwei Ahu – im Vordergrund steht darauf nur ein Moai, im Hintergrund sieben in unterschiedlichen Größen.
Rivi (CC BY-SA 3.0)

Die am Donnerstag online publizierte Studie selbst blieb freilich auch nicht ohne Widerspruch. So kritisierte die Rapa Nui-Expertin Jo Anne Val Tilburg (UCLA) im britischen "Guardian", dass die Süßwasserquellen am Meer lange bekannt, aber eher unbedeutend sind – und es vermutlich auch zu jener Zeit waren, als die Ahu errichtet wurden.

Wie die US-Forscher berichten, konnten sie freilich nicht nur die Orte der Ahu mit den Süßwasserquellen in eine eindeutige Verbindung bringen. Sie vermuten noch einen Zusammenhang, dem sie in einer weiteren Studie nachgehen wollen: Es scheint nämlich so zu sein, dass die Größe der Plattformen davon abhängt, wie viel Süßwasser an den jeweiligen Stellen vorhanden ist.

Das wiederum würde freilich die zentrale These von Jared Diamond widerlegen. Der hat in seinem Besteller "Kollaps" (orig. 2004) nämlich vermutet, dass die verschiedenen Stämme von Rapa Nui immer größere Statuen errichteten, um anderen zu übertrumpfen – was letztlich zum ökologischen Fiasko geführt habe. (Klaus Taschwer, 12.1.2018)