War der Ausbruch der Geburtsmoment eines Schwarzen Loches oder eines Neutronensterns?
Illustr.: D. Maturana/Nasa/NOAO/AURA/NSF

Seattle – Eine ungewöhnliche kosmische Explosion bereitet Astronomen Kopfzerbrechen: Am 16. Juni 2018 hatten terrestrische wie auch Weltraumteleskope in einer fernen Galaxie im Sternbild Herkules plötzlich einen besonders heftigen Ausbruch registriert, der drei Tage lang rund zehn bis 100 Mal heller leuchtete als eine typische Supernova in derselben Entfernung.

Zwei Wissenschafterteams haben jetzt unterschiedliche Erklärungen für die Beobachtung vorgeschlagen: Demnach könnte es sich entweder um eine besonders starke Supernova gehandelt haben, bei der ein Stern am Ende seiner Existenz explodiert ist. Oder aber ein sehr massereiches Schwarzes Loch hat einen ausgebrannten Stern, einen Weißen Zwerg, zerrissen. Beide Teams stellten ihre Theorien am Donnerstag (Ortszeit) auf der Jahrestagung der Amerikanischen Astronomischen Gesellschaft (AAS) in Seattle vor.

In der Galaxie CGCG 137-068 kam es am 17. August 2018 zu einem mächtigen Helligkeitsausbruch.
Foto: R. MARGUTTI/W. M. KECK OBSERVATORY

Eine solche "Kuh" hat noch keiner gesehen

Die Explosion ereignete sich in einer anderen Galaxie, die rund 200 Millionen Lichtjahre entfernt ist. Das Ereignis bekam die nüchterne Katalognummer AT2018cow und wird wegen der letzten drei Buchstaben von den Astronomen kurz als "The Cow" (die Kuh) bezeichnet. Unter anderem mit dem Weltraumteleskop Swift der US-Raumfahrtbehörde Nasa verfolgten Wissenschafter den weiteren Verlauf des Ausbruchs.

"Wir haben nie etwas genau wie 'The Cow" gesehen, das ist sehr spannend", betonte Nasa-Forscherin Amy Lien von der Universität von Maryland in einer Mitteilung des Jet Propulsion Laboratory (JPL) der US-Raumfahrtbehörde. Sie gehört jenem Team an, das hinter dem Phänomen eher die Auswirkungen eines großen Schwarzen Loches vermutet.

Riesiges Schwarzes Loch beim Verspeisen eines Sternes?

Die Swift-Beobachtungen lassen Lien und ihren Kollegen zufolge durch ein Ereignis erklären, bei dem ein supermassereiches Schwarzes Loch einen Stern zerrissen hat, der ihm etwas zu nahe kam. Dieser Stern muss allerdings sehr kompakt gewesen sein, um die schnelle Entwicklung des Ausbruchs zu erklären. Die Forscher nehmen daher an, dass es sich um einen Weißen Zwerg gehandelt haben könnte, den komprimierten Überrest einer ausgebrannten Sonne.

"The Cow" müsste eine große Trümmerwolke in sehr kurzer Zeit produziert haben, erläuterte Paul Kuin vom University College London aus dem Team. "Einen größeren Stern zu zerreißen und eine derartige Wolke zu produzieren würde ein noch größeres Schwarzes Loch erfordern, in einem langsameren Helligkeitsanstieg resultieren, und es würde länger dauernd, bis die Trümmer verzehrt sind."

Video: Die Cow-Explosion.
NASA Jet Propulsion Laboratory

Millionenfache Sonnenmasse

Nach Berechnungen des Teams müsste das Schwarze Loch bereits eine Masse haben, die 100.000 bis eine Million Mal so groß ist wie die unserer Sonne. Solche supermassereichen Schwarzen Löcher hausen gewöhnlich in den Zentren von Galaxien. Der AT2018cow ereignete sich allerdings ein gutes Stück entfernt von der Galaxienmitte.

Es wäre sehr ungewöhnlich, ein derart massereiches Schwarzes Loch abseits des Galaxienzentrums zu finden, möglicherweise habe das Ereignis jedoch in einer kleineren Satellitengalaxie stattgefunden, die aus dieser Entfernung nicht zu sehen sei, meinen die Forscher. Sie haben ihre Deutung beim Fachblatt "Monthly Notices of the Royal Astronomical Society" (MNRAS) eingereicht.Gut sichtbare

Gut sichtbare Supernova

Alternativ könnte es sich um eine besondere Sternexplosion gehandelt haben, glaubt ein Team um Raffaella Margutti von der Northwestern University in Evanston (US-Bundesstaat Illinois). "Wir haben Besonderheiten bei 'The Cow" gesehen, die wir niemals zuvor bei einem kurzlebigen, rasch veränderlichen Objekt beobachtet haben", betonte Margutti. Die Forscher hatten die Daten mehrerer Instrumente über einen breiteren Wellenlängenbereich ausgewertet.

Auch das Sloan Digital Sky Survey in New Mexico verzeichnete die merkwürdige kosmische Explosion. Die Aufnahme links stammt von 2003, "The Cow" ist nirgends zu sehen. Wo sie später erscheint, wurde mit einem grünen Kreis markiert. Das mittlere Bild stammt vom Liverpool Telescope auf La Palma und zeigt
AT2018cow in seiner ganzen Pracht, heller noch als die Galaxie. Rechts: Das William Herschel Telescope, ebenfalls La Palma, hat von der Galaxie einen Monat nach dem eigentlichen Ausbruch ein Bild geschossen. Das Objekt strahlt immer noch ziemlich hell.
Foto: Daniel Perley, Liverpool John Moores University

Demnach könnte ein massereicher Stern explodiert sein, der eine relativ dünne Trümmerwolke produziert hat, so dass sich ein besonders freier Blick auf die Supernova ergeben hat. Dann hätten die Forscher damit auch erstmals die Entstehung eines Schwarzen Lochs oder eines Neutronensterns live beobachtet, wie sie in einer der kommenden Ausgaben des Fachblatts "The Astrophysical Journal" erläutern.

Neutronensterne sind sehr dichte "Leichen" explodierter Riesensterne. "Wenn wir die Geburt eines kompakten Objekts in Echtzeit sehen, könnte dies der Beginn eines neuen Kapitels für unser Verständnis der Sternentwicklung sein", meint Ko-Autor Brian Grefenstette vom California Institute of Technology (Caltech) aus dem Team. (red, APA, 12.1.2019)