Sebastian Kurz und Heinz Christian Strache bei der Regierungsklausur in Mauerbach.

Foto: Christian Fischer

Die Regierung hat am Freitag jene Punkte der Steuerreform, auf die man sich bisher einigen konnte, im Ministerrat beschlossen. Ein paar Details konnten noch geklärt werden. So werden die Krankenversicherungsbeiträge ab Jänner 2020 um 700 Millionen Euro gesenkt. Die wesentlichen Fragen zum künftigen Steuertarif und zur Entlastung der Unternehmer wurden aber aufgeschoben. Spätestens bis April müssen die offenen Fragen geklärt sein.

Senkung der SV-Beiträge

Nach dem Familienbonus, der heuer in Kraft getreten ist, soll die nächste Entlastungsphase per 1. Jänner 2020 mit einer weiteren Senkung der Sozialversicherungsbeiträge eingeleitet werden. Volumen: 700 Millionen Euro. Die Regierung sagte der Sozialversicherung zu, den Einnahmenausfall zu kompensieren, Leistungskürzungen seien daher nicht zu befürchten, so das offizielle Wording. "Dafür wird eine gesetzliche Regelung angestrebt", heißt es im Ministerratsbeschluss vom Freitag.

Darin ist nun auch explizit festgehalten, dass man die Krankenversicherungsbeiträge senken wird. Am Vortag hatte man sich auch noch andere Optionen offengehalten. Die konkrete Höhe der Senkung beziehungsweise die Verteilung auf Arbeitnehmer, Pensionisten, Bauern und Selbstständige muss bis spätestens April geklärt sein. Dann muss Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) seinen jährlichen Budgetbericht nach Brüssel melden. Profitieren sollen vor allem niedrigere Einkommen.

Eine erste kleine Senkung bei der Arbeitslosenversicherung gab es bereits im Vorjahr. Einkommen bis 1681 Euro zahlen aktuell keine Arbeitslosenversicherung mehr. Für Verdienste bis 1834 Euro wird ein Prozent verrechnet, bis 1987 Euro zwei Prozent, und erst darüber fällt der reguläre Satz von drei Prozent an. Eine ähnliche Staffelung könnte es nun bei der Krankenversicherung (KV) geben. Aktuell zahlen die Dienstnehmer 3,87 Prozent, die Dienstgeber 3,78 Prozent des Gehalts für die KV.

Tarifreform

Noch nicht einigen konnten sich ÖVP und FPÖ auf die Details einer Tarifreform. Geplant ist, dass diese im Jahr 2021 in Kraft tritt. Aktuell fällt bis zu einer Steuerfreigrenze von 11.000 Euro pro Jahr keine Einkommensteuer an. Zwischen 11.001 und 18.000 Euro sind es 25 Prozent, zwischen 18.001 und 31.000 Euro 35 Prozent, zwischen 31.001 und 60.000 Euro 42 Prozent, zwischen 60.001 und 90.000 Euro 48 Prozent und über 90.000 sind es 50 Prozent.

Für Einkommen über einer Million gibt es einen Sondersteuersatz von 55 Prozent. Dieser dürfte auch bleiben. In Diskussion war, die untersten zwei oder die untersten drei Steuersätze zu senken. Konkretes soll auch hier bis spätestens April dieses Jahres vorliegen. Profitieren würden von einer Senkung auch mittlere und höhere Einkommen sowie Selbstständige. Für Letztere gelten dieselben Steuersätze. Die Körperschaftsteuer kommt nur bei Kapitalgesellschaften zur Anwendung.

KöSt/Ökologisierung

Ebenfalls noch etwas gedulden müssen sich die Unternehmer. Geplant ist eine Senkung der Körperschaftsteuer (KÖSt), die derzeit bei 25 Prozent liegt, in Richtung 20 Prozent. Die Wirtschaft wehrt sich noch gegen ein Inkrafttreten erst im Jahr 2022, denkbar ist daher auch eine Senkung in zwei Etappen 2021 und 2022.

Bereits fixiert wurde, dass Kleinunternehmer künftig erst ab 35.000 Euro (bisher 30.000) Umsatzsteuer verrechnen müssen. Diese Verbesserung bekommen die Selbstständigen, weil es auf der anderen Seite auch eine Anhebung der Werbungskostenpauschale von 132 auf 300 Euro für Arbeitnehmer gibt.

Bereits im kommenden Jahr sollen weitere Anreize geschaffen werden, um Fahrzeuge mit geringem Schadstoffausstoß steuerlich zu begünstigen. Darüber hinaus sind steuerliche Anpassungen in den Bereichen Fotovoltaik, Biogas und Wasserstoff geplant. Die Details sind auch hier offen.

Online-Werbeabgabe

Einen Schritt vorwärts geht es bei der Besteuerung von Unternehmen wie Google und Facebook: Wie erwartet, wird Österreich eine Werbeabgabe für entgeltliche Anzeigen im Internet einführen. Die Maßnahme greift nur bei Unternehmen ab einem Umsatz von 750 Millionen Euro, österreichische Unternehmen werden damit nicht betroffen sein. Mehr Druck wird es auch auf Airbnb geben: Der Dienstleister soll verpflichtet werden, steuerrelevante Informationen an die Finanz zu liefern. Neu ist: Der Mehrwertsteuertarif auf E-Books soll halbiert werden, von zwanzig auf zehn Prozent, wie das bei gedruckten Büchern schon der Fall ist.

Kalte Progression

ÖVP und FPÖ haben sich wiederholt für die Abschaffung der schleichenden Steuererhöhung ausgesprochen. Im Wahlprogramm von Kanzler Sebastian Kurz wurde das explizit angekündigt. Bei ihrer Regierungsklausur in Mauerbach hat die Regierung das Projekt hinausgeschoben: 2023 soll die kalte Progression abgeschafft sein, sagte Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs von der FPÖ.

Das Phänomen spielt in den aktuellen Steuerdebatten dennoch eine wichtige Rolle. Mit der kalten Progression wird regelmäßig der Ruf nach Steuerentlastungen für Arbeitnehmer gerechtfertigt. Wenn der Finanzminister ständig "schleichend" mehr einnimmt, ist es nur fair, wenn er wieder was zurückgibt, so das Argument. Aber was ist die kalte Progression?

Fix ist, was sie nicht ist: Die kalte Progression findet nicht nur dann statt, wenn Arbeitnehmer mehr verdienen und in höhere Steuerklassen rutschen, auch wenn dies gern und oft behauptet wird. Die Steuerstufen liegen in Österreich weit auseinander, von 31.000 bis 60.000 Euro gilt etwa derselbe Tarif. Viele Menschen bleiben immer in derselben Stufe. Die kalte Progression kann sie dennoch betreffen.

Ein Beispiel: 2018 verdiente Frau Müller 15.000 Euro. Sie bekommt 2019 zwei Prozent mehr Lohn. Diese deckt aber nur die höhere Inflation ab. Frau Müller ist also in Wahrheit finanziell nicht bessergestellt worden.

Trotzdem zahlt sie auf ihr neues Einkommen in Höhe von 15.300 Euro nun mehr Steuern. Das ist die kalte Progression. Bekäme Frau Müller 2,5 Prozent mehr Lohn, muss unterschieden werden: Bis zur Lohnsteigerung in Höhe der Inflation freut sich der Finanzminister über die kalte Progression. Nimmt er mehr ein durch jenen Teil der Lohnsteigerung, der über der Inflationsrate liegt, ist das die "normale", gewollte Progression. Wer mehr verdient und dadurch leistungsstärker ist, soll mehr Steuern zahlen, das ist der Sinn der progressiven Lohnsteuer.

Um die kalte Progression abzuschaffen, müssten die Tarifstufen automatisch mit der Inflation mitsteigen. Der Ökonomen Peter Brandner vom wirtschaftsliberalen Thinktank Weisse Wirtschaft argumentiert, dass man die Steuerzahler damit überkompensieren würde.

Denn viele Menschen trifft die kalte Progression nicht: wer in Karenz war oder keine Lohnsteigerungen in einem Jahr hatte. In den gängigen Berechnungen wird dies nicht berücksichtigt. Je nachdem variieren die Szenarien stark: Der unternehmernahe Thinktank Agenda Austria sagt, dass die kalte Progression zwischen 2016 bis 2020 etwa 3,6 Milliarden ausmacht. Brandner dagegen kommt auf "nur" 1,57 Milliarden Euro, eben weil er versucht zu erfassen, dass viele nicht betroffen sind.

Nulldefizit

Die Gliederung der Entlastungen in mehrere Etappen hat vor allem auch damit zu tun, dass Türkis-Blau ab dem heurigen Jahr Budgetüberschüsse erwirtschaften will. Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) geht davon aus, dass er dieses Ziel ohne größere weitere Einschnitte erreichen kann.

Die Konjunkturprognosen wurden zuletzt zwar etwas zurückgenommen, die Wirtschaftsforscher gehen dennoch davon aus, dass die heimische Wirtschaft auch im heurigen Jahr mit knapp zwei Prozent wachsen wird. Zum Vergleich: 2018 legte das Bruttoinlandsprodukt um rund 2,7 Prozent zu.

Im abgelaufenen Jahr dürfte allerdings noch kein Nulldefizit erreicht worden sein. Laut vorläufigen Zahlen des Finanzministeriums lag das administrative Minus bei 0,2 Prozent. Die Auszahlungen lagen also um rund 1,1 Milliarden Euro über den Einzahlungen. Die offizielle Abrechnung folgt aber erst. (red, szi, 12.1.2019)