Es ist ein breites rotes Band auf der Landkarte, das sich von Vorarlberg, Tirol, der Obersteiermark sowie Ober- und Niederösterreich von der Nordseite her an die Alpen legt: Alle Lawinenwarndienste haben unisono Lawinenwarnstufe 4 – "große Gefahr" – ausgegeben. Und das war am Sonntag, da waren die Auswirkungen der Sturmfront, die Sonntagabend Österreich erreicht hat, noch gar nicht eingepreist.

Zwischenzeitlich wurden in mehreren Teilen Salzburgs hohe Windgeschwindigkeiten gemessen, Spitzenreiter war die Rudolfshütte mit 158 km/h, am Flughafen in der Stadt Salzburg waren es immerhin noch 78 km/h. Wegen der Regenfälle mussten im Flachgau mehrere Keller ausgepumpt werden, berichten die "Salzburger Nachrichten". Weitere Schadensmeldungen stehen zurzeit noch aus.

Am Montag schneit es von Vorarlberg bis ins Mostviertel und in die Obersteiermark weiter. Dazu weht stürmischer Wind. Auf den Bergen gibt es Orkanböen.
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Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) erwartet, dass es an der Alpennordseite vom Bregenzerwald bis zur Rax anhaltend stark schneien wird. Die Schneefallgrenze dürfte auch in tiefere Lagen sinken. Außerdem wird Sturm mit bis zu 130 km/h erwartet.

Sollten sich die prognostizierten Niederschläge bewahrheiten, müsste laut Patrick Nairz vom Lawinenwarndienst Tirol im Westen des Landes "sehr große" Lawinengefahr, also die Stufe fünf der fünfteiligen Skala, ausgegeben werden. Auch im Rest des Landes dürfte die Lawinengefahr hoch bleiben.

Pinzgauer Tal gesperrt

Wie dramatisch die Situation teilweise ist, zeigt die Entscheidung der Lawinenkommission für das Salzburger Raurisertal: Dort wurde am Sonntag gleich das gesamte Pinzgauer Tal gesperrt, da eine Lawine die einzige Zufahrtsstraße bedrohte. Damit sind etwa 3.000 Einheimische und 2.000 Urlauber auf unbestimmte Zeit eingeschlossen.

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Nach einer neuen Beurteilung der Sicherheitslage durch die Lawinenkommission ist Sonntagabend der Fernpass gesperrt worden. Damit war die wichtige Transitroute nach Deutschland nicht mehr befahrbar. Auch am Kleinen Deutschen Eck ging am Abend wegen Lawinengefahr nichts mehr, zwischen Bad Reichenhall und dem Steinpass war die Straße auch am Montagmorgen noch gesperrt.

Lawinensprengung

An eine kontrollierte Sprengung der Lawine war nicht zu denken, ein Hubschrauberflug ist wetterbedingt nicht möglich. In der Steiermark waren am Sonntag etwa 1.500 Menschen von der Außenwelt abgeschlossen. Aber immerhin konnte in der Obersteiermark die Straße nach Radmer am Sonntag nach acht Tagen wieder freigegeben werden. Die akute Lawinengefahr konnte gebannt werden, nachdem am Samstagnachmittag einige Hubschrauberflüge zur Lawinensprengung möglich waren.

Auch im benachbarten Bayern sitzen rund 2.000 Menschen fest. Eine Lawine hat die österreichische Zufahrt zum Allgäuer Wintersportort Balderschwang verlegt, der Weg nach Deutschland war wegen Lawinengefahr gesperrt.

Lawinenairbags

In Lech am Arlberg hat die extreme Lawinensituation, aber wohl auch die Risikobereitschaft einiger Wintersportler bereits Samstagabend zu einem tödlichen Lawinenunfall geführt. Vier Variantenfahrer aus Deutschland wurden im eigentlich gesperrten Bereich "Langer Zug" von einer Lawine erfasst.

Drei von ihnen konnten lokalisiert und nur noch tot geborgen werden. Ein vierter Mann wurde noch vermisst, seine Überlebenschancen sind freilich gering. Detail am Rande: Die Wintersportler hatten die gesamte Notfallausrüstung dabei, sie wurden aber trotz ausgelöster Airbags verschüttet.

Feuerwehrleute bei einen Einsatz in Eisenerz.
Foto: APA/BFV LEOBEN/BFV LEOBEN

Die Verkehrsinfrastruktur in Westösterreich ist durch das Extremwetter ebenfalls massiv in Mitleidenschaft gezogen. Unter anderem mussten zentrale Zugstrecken wie das steirische Ennstal, der Pass Lueg in Salzburg oder die Arlbergstrecke geschlossen werden.

1.000 Soldaten im Einsatz

In Oberösterreich sind die Straßenverbindungen in die Steiermark – Hengstpass, Pyhrnpass, Koppenpass – weiterhin zu. Gosau im Bezirk Gmunden ist wie bereits in den vergangenen Tagen nur von Salzburg aus erreichbar. Der Pass Gschütt blieb vorerst offen.

Neben den Lawinen ist inzwischen das enorme Gewicht des Schnees zum zentralen Problem geworden. Die Orkanfront mit Schneezuwächsen von teilweise mehr als einem Meter und Regen in den Tallagen, die Sonntagabend am Alpennordrand aufgeschlagen ist, hat die Lage zusätzlich verschärft: Schneebruch birgt inzwischen ein mindestens so hohes Gefahrenpotenzial wie die Lawinen. Das Bundesheer ist daher inzwischen im Großeinsatz. In sechs Bundesländern sind knapp 1.000 Soldaten mit Schaufeln "bewaffnet" im Hilfseinsatz.

Bundesheer-Soldaten bei Schneearbeiten auf einen Dach in Eisenerz.
Foto: APA/BUNDESHEER/GUNTER PUSCH

Im Erdgeschoß schlafen

Der Einsatzstab der Salzburger Landesregierung hat deshalb am Sonntagnachmittag eine eher seltene Empfehlung ausgegeben: "Menschen, die in Gebäuden in der Nähe von Waldrändern wohnen, sollen heute Nacht unbedingt, soweit möglich, im Erdgeschoß schlafen. Umstürzende Bäume könnten durch Dächer brechen, und die Schneemassen auf den Dächern könnten darunterliegende Personen verschütten." Zudem sollte man die Kamine kontrollieren, zugewehte Kamine könnten den Rauch in die bewohnten Räume zurückdrücken, Rauchgasvergiftungen wären die Folge.

Die Schneelast ist neben der Lawinengefahr aktuell eines der Hauptprobleme. Sie gefährdet Dächer und bringt auch gesunde Bäume zu Fall.
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(Thomas Neuhold, 14.1.2019)