Emmanuel Macron griff zur Feder – und setzte diese so schnell nicht wieder ab.

Paris/Brüssel – Kurz vor Beginn einer "nationalen Debatte" zur Lösung der Gelbwesten-Krise hat die Bewegung wieder an Stärke gewonnen. Am Samstag gingen offiziellen Angaben zufolge in Frankreich 84.000 Menschen auf die Straßen. Damit stieg die Zahl der Demonstranten das zweite Wochenende in Folge, nachdem die Bewegung rund um Weihnachten geschwächt schien.

Präsident Emmanuel Macron rief die Franzosen am Sonntagabend auf, sich in großer Zahl an der "nationalen Debatte" zu beteiligen. Es handle sich um eine noch nie da gewesene Initiative, schrieb der 41-Jährige in einem offenen Brief. "Das ist weder eine Wahl noch ein Referendum", stellte er jedoch klar. Macron bewies dabei einen langen Atem: Das auf der Website des Präsidenten veröffentlichte Schreiben hat knapp 15.000 Zeichen – das entspräche in der Printausgabe des STANDARD einem Text, der sich über rund 1,5 Seiten erstreckt.

Einschätzungen negativ

Die Bürger sollen nun bis zum 15. März ihre Kritik äußern und Reformvorschläge machen können – bei im ganzen Land stattfindenden Gesprächsrunden. Macron äußerte Verständnis für Unzufriedenheit und Wut von Bürgern: "Ich teile diese Ungeduld." Die großen Themen sind: Steuern und öffentliche Ausgaben, Staatsorganisation, ökologischer Wandel und Demokratie – dazu gehört auch das Reizthema Einwanderung. Macron listete in seinem Brief knapp drei Dutzend Einzelfragen auf.

Die Franzosen schätzen die Erfolgsaussichten der Aktion allerdings eher gering ein. Laut einer Umfrage für den Sender France Info und die Zeitung "Le Figaro" glauben sieben von zehn Franzosen, dass die Debatte nicht zu nützlichen Maßnahmen führen wird. Erschwert wird der Start zusätzlich durch den kurzfristigen Rückzug der einst vorgesehenen Organisatorin, der Spitzenbeamtin Chantal Jouanno. Sie war nur eine Woche vor dem geplanten Beginn der Debatte von der Aufgabe zurückgetreten, nachdem öffentlich Empörung über ihr bisheriges Gehalt entbrannt war.

Für den mit desaströsen Beliebtheitswerten kämpfenden Macron hängt viel vom Erfolg seiner "nationalen Debatte" ab. Die Gelbwesten-Bewegung hat den einstigen politischen Senkrechtstarter in die bisher schwerste Krise seiner Amtszeit gestürzt. Seit Mitte November demonstrieren immer wieder Zehntausende gegen seine Reformpolitik und gegen eine als zu niedrig empfundene Kaufkraft. Immer wieder gab es dabei Randale. (red, APA, 14.1.2019)