Die gewaltigen Schneemengen, wie hier in Lackenhof am Ötscher, bereiten Wintersportlern Freude und bedeuten für die Einsatzkräfte Dauerstress.

Foto: APA/Harald Schneider

Wien – Die Neuschneemengen, die in den vergangenen 15 Tagen registriert worden sind, kommen selbst in den schneereichen Regionen Österreichs nur alle zehn bis 100 Jahre vor. Vereinzelt gab es sogar neue Rekorde – etwa in Seefeld, Hochfilzen, Lofer und Bad Mitterndorf, berichtete die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik am Dienstag. Die Situation werde sich nun allmählich entspannen.

In den nächsten Tagen seien den Prognosen der Meteorologen zufolge höchstens geringe Mengen zu erwarten. Mittwoch und Donnerstag sollen größtenteils sogar sonnig verlaufen. Die Lawinenwarndienste warnten jedoch, dass auch bei einem Rückgang des Risikos die Situation abseits der gesicherten Pisten sehr heikel bleibe.

Auch bei Lawinenwarnstufe 3 (erhebliche Lawinengefahr) würde schon die Zusatzbelastung durch einen Wintersportler genügen, um einen Abgang auszulösen. So am Ankogel in Kärnten, wo Dienstagmittag bei der Talstation eine Lawine abging und zwei Personen verschüttete. Sie wurden mittels Tau vom Hubschrauber aus geborgen, einer der Skitourengeher, ein 24-jähriger Tscheche, überlebte das Unglück nicht.

Über drei Meter Neuschnee gefallen

"Noch liegen nicht alle Daten vor, aber in Tirol, Salzburg, Oberösterreich und in der Steiermark gibt es auf jeden Fall neue Rekorde", sagte Michael Winkler von der ZAMG in Innsbruck. Einige Beispiel für neue Rekordwerte der 15-tägigen Neuschneesumme: Seefeld mit 283 Zentimetern, gemessen wird hier seit 1895. Abtenau mit 240 Zentimetern, gemessen wird hier seit 1964. Bad Mitterndorf mit 270 Zentimetern, gemessen wird hier seit 1971. Die statistische Wiederkehrzeit ist für die Rekordorte sei schwer zu erfassen, liegt aber über 100 Jahre, ähnlich wie für die 451 Zentimeter Neuschneesumme in Hochfilzen.

Die Neuschneesumme in Schröcken liegt mit 310 Zentimetern bei einer Jährlichkeit von fünf Jahren, in den beiden Lechtaler Orten Holzgau und Höfen mit 170 Zentimeter Neuschnee bei rund zehn Jahren. In Windischgarsten kommen die gemessenen 148 Zentimeter Neuschnee statistisch gesehen alle fünf bis zehn Jahre vor, die 152 Zentimeter in Bad Ischl alle 20 Jahre. Die statistische Jährlichkeit der 300 Zentimeter Neuschnee in Bad Aussee liegt bei 30 bis 50 Jahre.

Überblick über die Lawinenwarnstufen am Dienstag.

Gefahr in Obersteiermark weiterhin groß

Die Lawinengefahr in der Steiermark ist auch für Mittwoch unverändert groß geblieben. Im Nordstaugebiet vom Dachstein bis Rax herrschte weiterhin Warnstufe vier von fünf. Im Randgebirge war die Lawinengefahr auf Stufe drei immerhin erheblich, hieß es Mittwochfrüh seitens des Lawinenwarndienstes Steiermark. Entspannung zeichnete sich für Donnerstag ab.

Lawine in der Ramsau

"Das heutige Lawinenereignis überstieg unsere Erfahrungswerte", sagte das Mitglied der steirischen Lawinenkommission Heribert Eisl Dienstagvormittag bei der Pressekonferenz der Bezirkshauptmannschaft Liezen in Ramsau am Dachstein, wo in der Nacht die sogenannte Eiskarlawine Teile des Hauses Sonne und Kirchenwirt-Pehab mit 60 Gästen verschüttet hatte. Bürgermeister Ernst Fischbacher bestätigte, dass es keine Verletzten und Vermissten gebe.

Schneemassen im Inneren eines Gebäudes nach einem Lawinenabgang in Ramsau am Dachstein in der Nacht auf Dienstag.
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"Es war ein Glück, und wir sind froh, dass die Lawinen nicht vier Stunden früher abgegangen ist, als alle Gäste beim Abendessen gesessen sind", sagte Eisl. Der Speisesaal beim Kirchenwirt war bis ein Meter unter die Decke von Schnee bedeckt. Man habe in den vergangen Tagen Liftsperren und Sperren von Wanderwegen verfügt, auch Objekte wurden evakuiert.

Schneemassen im Inneren eines Gebäudes nach einem Lawinenabgang in Ramsau am Dachstein in der Nacht auf Dienstag.
Foto: APA

Dass die Lawine einen solchen Schaden angerichtet habe, sei unerwartet gewesen. Man habe alle Berichte der Meteorologen und der Lawinenwarndienste einbezogen, in der Ramsau habe es auch weniger geschneit als im Ausseerland. Bürgermeister Fischbacher bekräftigte, dass man aufgrund von Erfahrungen und Prognosen keinen Anlass gesehen habe, den Kirchenwirt zu evakuieren.

Schnee drang in ein Hotel ein und füllte Zimmer.
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Schon mehrmals Lawinenabgänge

In dem Bereich Eiskar sind in den vergangen Jahrzehnten schon mehrmals große Lawinen abgegangen, aber keine so groß wie diese. Bezirkshauptmann Josef Dick sagte, es sei nun ein Platzverbot in dem Bereich Kirchenwirt eingerichtet worden. Die Bundesheer-Pioniere würden die Voraussetzungen schaffen, dass man gesichert ins Hotel könne. Wenn es sicher sei, werde man das Gepäck der Gäste für deren Abreise bergen, wenn diese eine solche wünschten.

"ZiB"-Bericht: Sorge um Schnee auf den Dächern.
ORF

Situation in Tirol

Weitere Schneefälle sowie stürmischer Wind während der Nachtstunden sowie die zu erwartende Sonneneinstrahlung im Laufe des Tages sorgen weiter für eine angespannte Lawinensituation in Tirol. Am Dienstag gilt daher Warnstufe 4 für weite Teile des Landes. Besonders die Gebiete nördlich des Inns, die Bezirke Kufstein und Kitzbühel sowie das nördliche Osttirol sind betroffen. Hier herrscht ab sofort auch unterhalb der Waldgrenze große Lawinengefahr. "Einzelne sehr große spontane Lawinenabgänge können weiterhin nicht ausgeschlossen werden. An steilen Grashängen sind mittlere und große Gleitschneelawinen möglich. Auch wenn die Lawinengefahr in weiten Teilen des Landes heute kritisch bleibt, rechnen wir dennoch mit einem weiteren Rückgang der Lawinengefahr in den nächsten Tagen. Für Schneesport abseits der gesicherten Pisten sind die Verhältnisse derzeit jedoch noch sehr ungünstig", warnt Patrick Nairz vom Lawinenwarndienst Tirol.

Der seit Sonntag gesperrte Fernpass in Tirol soll am Mittwoch um 6 Uhr wieder für den Verkehr freigegeben werden. Die Sperren im Bahnverkehr werden in Tirol bis zum Sonntag aufrecht bleiben, wie die ÖBB mitteilte. Betroffen sind die Strecken von Innsbruck nach Scharnitz, von Reutte nach Garmisch-Partenkirchen. Von Scharnitz nach Mittenwald ist auch kein Schienenersatzverkehr möglich. Die Arlbergstrecke zwischen Langen und Bludenz wird voraussichtlich bis Donnerstag geschlossen bleiben müssen. Hier gibt es allerdings einen Schienenersatzverkehr, wobei St. Anton weiterhin nicht erreichbar ist. Auch zwischen Saalfelden und St. Johann in Tirol bleibt der Bahnverkehr bis voraussichtlich Donnerstag eingestellt.

Die schweren Schneefälle haben in Tirol in den vergangenen mehr als zehn Tagen zu einer beträchtlichen Anzahl an Stromausfällen geführt. Insgesamt waren mit fast 1.000 Umspannstationen rund ein Viertel der Tinetz-Stationen und mit etwa 45.000 Anschlüssen jeder sechste Kunde betroffen, teilte der Stromversorger mit.

In rund 50 Tiroler Gemeinden wurden kurzzeitige Unterbrechungen der Stromversorgung gemeldet, hieß es. Dabei mussten rund 120 Störungen an Mittelspannungsleitungen, 20 an Hochspannungsleitungen sowie unzählige Unterbrechungen im Niederspannungsnetz von den Störtrupps behoben werden. Dienstagnachmittag waren noch rund 70 Haushalte ohne Strom.

Straßensperren

Alleine in Salzburg waren am Montag rund 24.000 Menschen wegen Straßensperren von der Außenwelt abgeschnitten. Auch ein recht Prominenter ist betroffen: US-Schauspieler und Sänger David Hasselhoff, der am Donnerstag in Saalbach ein Konzert gibt, postete ein Video, das ihn im Bademantel im Schnee zeigt. Nun befindet sich der Baywatch-Star auf der Walleggalm, wo er Quartier zu beziehen geruhte, unter den Eingeschneiten. Was Hasselhoff allerdings erst nach dem Verlassen der sicheren Unterkunft wahrzunehmen scheint, als den Halbnackten jäh die Schneemassen den Weg zum Jacuzzi versperren. Der 66-Jährige trägt es im Video mit Fassung.

Gegen Ende der Woche können die Bahnreisenden in Salzburg allmählich mit einer Normalisierung der Lage rechnen. Aus derzeitiger Sicht soll nach Informationen das Landes zunächst am Donnerstag der Abschnitt zwischen Hochfilzen und Saalfelden wieder freigegeben werden. Am Freitag soll dann die wegen Lawinengefahr gesperrte Ennstalstrecke zwischen Bischofshofen und Schladming wieder geöffnet werden. Ein weiteres Nadelöhr im Bahnverkehr, der ebenfalls wegen Lawinengefahr gesperrte Pass Lueg zwischen den Bahnhöfen Golling-Abentau und Bischofshofen, wird vermutlich am Samstag wieder freigegeben.

In weiten Teilen des Landes herrschte am Montag die höchste Lawinenwarnstufe 5.
DER STANDARD

Die Wetterlage hatte sich Montag wieder zugespitzt. Im Bereich der Hohen Tauern stieg die Lawinengefahr auf die höchste Warnstufe 5, im Rest des Landes herrschte weiterhin Stufe 4. Schneefälle und starker Sturm mit bis zu 160 Stundenkilometern verschärften die Lage. Die Tauernautobahn (A10) wurde am Montag zweimal vorübergehend wegen hängengebliebener Lastwagen und einer Lawinensprengung gesperrt.

Tödlicher Absturz beim Schneeschöpfen

Beim Abschaufeln eines Dachs ist am Montag in Faistenau im Flachgau ein 47-jähriger Mann ums Leben gekommen. Er schöpfte mit drei weiteren Mitarbeitern einer Firma das Dach ab, als sich der Schnee plötzlich löste und alle vier rund sechs Meter in die Tiefe riss. Zwei Arbeiter wurden komplett verschüttet, die anderen teilweise. In der Obersteiermark stürzte ein Bus über eine Böschung. 13 Personen wurden leicht verletzt.

Neuschnee, gepaart mit Regen, sorgt für Probleme.
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In der Nacht auf Montag gingen im Bundesland Salzburg mehrere Lawinen ab. In Obertauern donnerte eine Lawine bis zum Seekarhaus, in Hintermuhr im Lungau ging eine auf eine Gemeindestraße ab, und auch in Hintersee im Flachgau wurde eine Lawine gemeldet, hieß es vom Einsatzstab. Personen kamen dabei nicht zu Schaden.

Die anhaltenden Schneefälle sorgten auch in Tirol am Montag für die höchste Lawinenwarnstufe in vielen Landesteilen. Besonders im Westen kam es wegen der Niederschläge zu Verkehrsbehinderungen. So waren etwa St. Anton am Arlberg und Sölden vorübergehend nicht mehr erreichbar.

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Bis zu 120 Zentimeter Neuschnee fielen in Vorarlberg innerhalb von 48 Stunden, 3000 Helfer waren im Einsatz. Die Arlbergbahnstrecke ist seit Sonntagabend zwischen Landeck und Bludenz gesperrt. Am Dienstagnachmittag waren beinahe alle zuvor eingeschneiten Orte wieder auf dem Straßenweg erreichbar. Vorerst blieben nur Warth (Bregenzerwald) und Gargellen (Montafon) von der Außenwelt abgeschnitten.

Gefahr durch Astbrüche

Anhaltender Schneefall und Sturm machten Erkundungsflüge des Bundesheers unmöglich. Am Montag galt Lawinenwarnstufe 5. Die für Dienstag prognostizierte Wetterbesserung dürfe nicht zu Freizeitaktivitäten im freien Gelände verleiten, warnte Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP). Abgeraten wird auch vor Spaziergängen im Wald. Es drohe akute Gefahr durch Astbrüche und umstürzende Bäume.

Der hohe Schneedruck könne für Häuser an Steilhängen zur Gefahr werden, warnte Andreas Reiterer von der Lawinenverbauung. Er empfiehlt, den Schneedruck auf der Bergseite zu beobachten und Fenster geschlossen zu halten. (red, jub, ruep, ars; 14.1.2019)