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1,9 Millionen E-Autos sollen laut Umweltbundesamt 2030 in Österreich in Betrieb sein. Bis dahin müssten jährlich 150.000 Ladestellplätze geschaffen werden.

Foto: REUTERS/Denis Balibouse

Studiert man die österreichischen Zielpfade zur Erreichung der Klimaziele, die vom Umweltbundesamt im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie im Herbst 2018 erarbeitet wurden, so wird der Elektromobilität eine zentrale Rolle eingeräumt: Bis 2030 soll die prognostizierte Reduktion der verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen zu knapp 50 Prozent durch Elektromobilität bewirkt werden, bis zum Zieljahr 2050 des Pariser Klimaabkommens zu mehr als 80 Prozent. Festzuhalten ist, dass mit den laut Klimastrategie fixierten Maßnahmen der Zielwert für 2030 mit 16 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen pro Jahr um 35 Prozent überschritten wird, für 2050 beträgt die Überschreitung mehr als das Zehnfache des Zielwerts.

Angesichts dieser Ergebnisse stellt sich die Frage, inwieweit Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb die in sie gesteckten Erwartungen erfüllen können. Aus sachlichen Gründen sind Zweifel angebracht. Ohne einschneidende verkehrspolitische Rahmenbedingungen, die vor allem Einschränkungen für die Benutzung fossil angetriebener Autos umfassen, ist der gewünschte Erfolg nicht zu erreichen.

Marketingschmäh

Elektrisch angetriebene Autos haben aus Umweltsicht einige Vorteile, stellen aber nicht die nachhaltig umweltfreundliche Lösung dar, wie vielfach propagiert wird. Was die Bereitstellung der elektrischen Energie betrifft, steht Österreich mit einem Anteil von mehr als zwei Dritteln durch erneuerbare Energiequellen sehr gut da. Wenn aber in Zukunft der Großteil der im Verkehr benötigten Energie mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen gedeckt werden soll, dann sind enorme Anstrengungen notwendig, die derzeit nicht in Sicht sind.

In der österreichischen Klimainventur werden dem Elektroauto am Ort der Benutzung weder Treibhausgasemissionen noch andere Emissionen angerechnet wie zum Beispiel Stickoxide. Diese werden der Stromerzeugung zugerechnet. Das verführt natürlich zu der irrigen Annahme, dass Elektromobilität quasi null Emissionen verursache. In der Vermarktung wird das als "lokal emissionsfrei" beworben. Damit wird dem Konsumenten suggeriert, dass mit dem Kauf eines Elektroautos alle Umweltprobleme gelöst seien. Dies wird auch in den Verbrauchsangaben der Autos übernommen, sodass es sich für Autohersteller lohnt, große fossil angetriebene Autos durch große E-Autos zu ersetzen, um den mittleren Flottenverbrauch ihrer Produktpalette zu senken.

Energie zur rechten Zeit

Seriöse Untersuchungen zeigen, dass zur Erreichung der Klimaziele neben technologischen Lösungen auch einschneidende Verhaltensänderungen notwendig sind. Für die Betrachtung der Nachhaltigkeit und der verursachten externen Kosten von E-Autos ist die gesamte Wertschöpfungskette, beginnend von der Herstellung über die Nutzungsdauer bis zur Entsorgung, zu berücksichtigen. Die Batterie stellt diesbezüglich eine große Schwachstelle dar, für die beschränkt zur Verfügung stehende Rohstoffe wie zum Beispiel Lithium benötigt werden.

Dringend erforderlich ist die Einführung einer Standardisierten Ermittlung und Offenlegungspflicht der gesamten Emissionen für E-Autos. Nicht zu vergessen ist, dass der Betrieb von E-Autos auch Feinstaub verursacht, da in Ballungsräumen rund 85 Prozent des Feinstaubs PM10 nicht direkt aus dem Motor kommen, sondern durch Aufwirbelung entstehen.

Die Bereitstellung der Energie am rechten Ort zur rechten Zeit, damit am Morgen die E-Autos vollgeladen zur Verfügung stehen, ist eine Voraussetzung für die Akzeptanz. Wenn man den Prognosen den Bestand an E-Autos betreffend des Umweltbundesamts auf Basis existierender Maßnahmen für das Jahr 2030 glaubt, dann werden in Österreich knapp 1,9 Millionen E-Autos in Betrieb sein. Das wären 35 Prozent des gesamten Pkw-Bestands. Dafür werden am Hauptabstellort zu Hause und zum Nachladen am Zielort insgesamt etwa 1,5 Millionen Ladestellplätze benötigt. Das bedeutet, dass im Mittel jährlich etwa 150.000 Ladestellplätze geschaffen werden müssten. Die Maßnahmen der E-Mobilitätsoffensive der Regierung bieten nur eine Förderquote von etwa 15 Prozent der laut Prognosen erforderlichen E-Pkws und Ladestellplätze an. Viele Gemeinden sind mit zu niedrigen Anschlusswerten ausgestattet, wenn die bisher verbrauchten fossilen Treibstoffe durch elektrische Energie ersetzt werden sollen. Es sind also große Investitionen in die Verteilernetze notwendig.

Druck auf Autonutzer

Eindrucksvoll wird immer wieder dargelegt, die Batterien der E-Autos seien in einem intelligent gesteuerten Stromnetz, dem sogenannten Smart Grid, selbst als Speicher nutzbar. Daher seien große Fahrzeuge mit großen Batterien eher die Lösung als das Problem. Hier wird übersehen, dass der zeitliche Tagesverlauf des Energiebedarfs für Kraftfahrzeuge dies mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erlaubt.

Wenn die Erwartungen, die in die Elektromobilität auch vonseiten der Regierung gesetzt werden, erfüllt werden sollen, so bedarf es mehr als die derzeit bekannten Maßnahmen. Einerseits ist mehr Druck auf die Autohersteller notwendig, damit qualitativ mit den fossil angetriebenen Autos vergleichbare E-Autos auf den Markt kommen. Dazu zählen die Eigenschaften Reichweite, Kaufpreis und Betriebskosten. Das ist für die nächste Zukunft nicht zu erwarten. Andererseits sind die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass der Druck auf die Autonutzer verstärkt wird. Die jüngst von der EU beschlossene Verpflichtung zu einer Senkung der Treibhausgasemissionen des Flottenmix auf 37,5 Prozent ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Eine Schlüsselfunktion kommt einer schrittweisen und langfristig fixierten Internalisierung der externen Kosten des Kraftfahrzeugverkehrs mit fossilem Antrieb zu. Das kann mit einer spürbaren Abgabe für Treibhausgasemissionen auf fossile Treibstoffe oder mit einer umweltorientierten flächendeckenden und entfernungsabhängigen Maut für alle Kraftfahrzeuge erfolgen. Letztendlich ist es fair, wenn die Schäden an der Umwelt von den Verursachern bezahlt werden. Autofahren mit fossilem Antrieb würde damit signifikant teurer werden.

Soziale Komponente

Wichtig ist, dass für eine soziale Kompensation für jene Zielgruppen gesorgt wird, die keine Alternative haben. Sonst könnte der französische Gelbwesten-Protest exportiert werden. Dies sollte im Rahmen einer umfassenden ökologischen aufkommensneutralen Steuerreform geschehen, am besten europaweit abgestimmt.

Nicht zu vergessen ist dabei, dass die Elektromobilität nur ein wichtiger Mosaikstein zur Lösung der Klimafrage im Sektor Verkehr ist. Die Verfolgung anderer technologischer Lösungen, aber auch eine grundsätzliche Verhaltensänderung, die durch restriktive Maßnahmen gegen umweltfeindliche Verkehrsmittel vorangetrieben wird, ist unbedingt erforderlich, wenn wir die Mobilitätswende schaffen wollen. (Gerd Sammer, 15.1.2019)