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Unverhofft berühmt geworden: Das meistgelikte Foto auf Instagram zeigt ein simples Frühstücksei.

Foto: Getty Images/EyeEm

Kylie Jenner versteht vermutlich die Welt nicht mehr – sofern jemals das Gegenteil der Fall gewesen sein sollte. Das Reality-TV-Sternchen aus dem Gefolge von Gesäß-Ikone Kim Kardashian wurde auf ureigenem Terrain vom Thron gestoßen: Ihr Foto mit Baby ist nicht mehr das meistgeherzte Objekt auf der Social-Media-Plattform Instagram.

Mit 24 Millionen Interaktionen hält diesen Rekord neuerdings ein anderes Foto. Auch dieses zeugt vom Naturwunder lebhafter Vermehrung, es fällt aber entschieden nüchterner aus: Es ist ein Ei. Wohlgeformt, mit zarten Sommersprossen auf der Schale, hebt sich das Oval vor klinisch weißem Hintergrund deutlich ab.

Egg-Gang

Das schöne, aber keineswegs besondere Ei zeigt sich entgegen allen Instagram-Usancen vollkommen ungeschminkt und diente bisher als sogenanntes Stockfoto. Diese werden von Fotografen auf Vorrat geknipst, um Medienbetreiber bei Bedarf mit Symbolfotos versorgen zu können. Gepostet wurde das Weltrekordei von einer gewissen "Egg-Gang", die das erklärte Ziel verfolgt, Kylie Jenner abzulösen.

Die schmuckbefreite Natürlichkeit, mit der das Ei bei den Instagram-Nutzern punktete, kann kulturhistorisch betrachtet durchaus als Novum durchgehen. Denn seit tausenden Jahren ging es bei dem fruchtbringenden Göttergeschenk darum, es so prachtvoll wie möglich in Szene zu setzen.

Krönungs-Ei

Schon die frühest überlieferten Mythen aus dem Nahen und Fernen Osten kannten die Idee vom Welten-Ei, dem der ganze Kosmos entsprungen sein soll. 60.000 Jahre alte Funde dekorierter Straußeneier aus Afrika belegen, dass der Keimlingsbehälter nicht erst mit dem Aufkommen des Osterbrauchs kreativer Verzierung zugeführt wurde. Seit der Antike schmückt das Ei klassische Tempelgebälke als sogenanntes ionisches Kyma, wo es wie an einer Kette aneinandergereiht wird.

Als zentrales Attribut in bildlichen Darstellungen konnte das Fruchtbarkeitssymbol bis in die Moderne seinen Platz behaupten. Über vielen Madonnenhäuptern baumelt das Ei etwa an einem Faden aus einer Muschel. Groß war die Eierliebe bei den Surrealisten. Mit René Magritte freuen sich etwa Tierschützer: Sein Ei liegt unausgebrütet in einem Vogelkäfig. Den teuersten Kult um das Symbol betrieben aber die russischen Zaren mit ihren goldenen Fabergé-Eiern: 24 Millionen Dollar ist das Krönungs-Ei von 1897 wert. Das unverhofft berühmt gewordene Instagram-Ei dürfte hingegen längst gegessen sein. Ei, Ei! (Stefan Weiss, 15.1.2019)