Genf – Da geht noch was: So imposant die technischen Daten des Large Hadron Collider (LHC) der Europäischen Organisation für Kernforschung (Cern) auch sind – die Genfer Teilchenphysiker träumen bereits von einer noch größeren Anlage, dem Future Circular Collider (FCC). Ein Forschungskonsortium aus mehr als 1.300 Wissenschaftern hat seine Zukunftsvision nun vorgestellt. Ziel war es, den Marschplan für eine Ära nach dem LHC abzustecken.

CERN

Ob der neue Teilchenbeschleuniger tatsächlich gebaut wird, müssen dann aber erst die 22 Mitgliedsstaaten des Cern entscheiden. Das Projekt würde in der ersten Phase neun Milliarden Euro kosten. Der Protonenbeschleuniger, der nach 2055 in Betrieb gehen würde, würde etwa weitere 15 Milliarden Euro kosten.

Die Idee

Der Future Circular Collider soll laut dem Konzept 100 Kilometer lang werden, teilweise unter dem Genfer See verlaufen und Teilchen bei bis zu 100 Teraelektronenvolt kollidieren lassen. Das Maximum des knapp 27 Kilometer langen Large Hadron Collider liegt bei 14 Teraelektronenvolt und soll durch ein Upgrade voraussichtlich bis 2021 erreicht werden.

"Das Projekt würde sich im Genfer Becken gut realisieren lassen", sagte Studienleiter Michael Benedikt zur Veröffentlichung der Konzeptstudie. Die existierenden Anlagen könnten weiter genutzt werden, etwa als Vorbeschleuniger. Der FCC ist aber vorerst nur eine von mehreren Möglichkeiten, welche im Zuge der europäischen Strategie für die Teilchenphysikforschung bewertet wird.

Der Weg zum FCC

Ein möglicher Zwischenschritt auf dem Weg zum FCC wäre ein Electron-Positron Collider wie schon beim LHC: Von 1989 bis 2000 war am CERN der Large Electron-Positron Collider (LEP) in Betrieb. Bevor der Ringtunnel für den LHC umgebaut wurde, lieferte der LEP bereits zahlreiche wissenschaftliche Ergebnisse. So erhofft es sich das FCC-Konsortium auch von einem Electron-Positron Collider als Vorstufe zum FCC.

Die Kosten für den Nachfolger des LHC würden sich auf rund neun Milliarden Euro belaufen, schätzt das Konsortium, davon fünf Milliarden für die Tiefbauarbeiten am 100 Kilometer langen Ringtunnel, der ebenfalls am Cern an der Grenze zwischen der Schweiz und Frankreich liegen soll. 2040 könnte der FCC in Betrieb gehen und den LHC ablösen.

Neue Möglichkeiten

Mit Energien von bis zu 100 Teraelektronenvolt würde der FCC völlig neue Möglichkeiten eröffnen, schrieb das Cern. Höhere Energien ermöglichen mehr Kollisionen und damit mehr Daten. Zum Beispiel ließen sich die Eigenschaften des Higgs-Bosons genauer untersuchen, das 2012 am Cern nachgewiesen werden konnte. Bei mehr Kollisionen entsteht auch das Higgs-Boson häufiger.

Außer neuen Einblicken in die Eigenschaften des Higgs-Teilchen erhoffen sich die Forscher auch die Entdeckung neuer Teilchen, die Entdeckung extrem seltener Zerfallsprozesse, die bisher übersehen wurden, sowie die Messung der Eigenschaften bekannter Teilchen mit nie dagewesener Präzision.

Sie erhoffen sich daraus Erklärungen für einige der großen Rätsel der Physik – etwa die Frage, weshalb das Universum fast nur aus Materie besteht, obwohl beim Urknall theoretisch gleich viel Materie und Antimaterie entstanden sein müsste. Zudem würde die Entwicklung des FCC neue Technologien hervorbringen, die Anwendungen im Alltag haben könnten.

LHC hat noch nicht ausgedient

Der bestehende LHC-Beschleuniger dürfte noch 20 Jahre laufen, sagte Benedikt. Die Anlage wurde im Dezember für zweijährige Wartungsarbeiten abgeschaltet. Parallel wird bereits an einem Ausbau mit stärkeren Magneten gearbeitet, dem sogenannten Hilumi-LHC-Projekt, das 2025 fertig sein soll. Die Physiker wollen damit die Zahl der Protonenkollisionen pro Sekunde von einer auf fünf Milliarden erhöhen. (APA, red, 16.1.2019)