Jetzt kann einem aber auch ein schaumgeborener Günstling der Götter wie Sebastian Kurz einmal leidtun. Da meldet sich der so oft als "Schweigekanzler" verhöhnte Regierungschef endlich mit einer griffigen, für seine Verhältnisse fast schon pointierten Ansage zu Wort, prompt hagelt es Kritik.

Und das nicht nur seitens der üblichen links-linken Anarcho-Chaoten (Caritas, Christian Konrad, Erwin Pröll, ÖVP Vorarlberg), nein, sogar die normalerweise treu ergebene "Kronen Zeitung" nimmt die flapsige Flause "Ich glaube nicht, dass es eine gute Entwicklung ist, wenn immer weniger Menschen in der Früh aufstehen, um zu arbeiten, und in immer mehr Familien nur mehr die Kinder in der Früh aufstehen, um zur Schule zu gehen" zum Anlass für eine fast schon rebellisch provokante Schlagzeile: "So lange schlafen wir, Herr Bundeskanzler." Im Blattinneren wird der Kanzler auf zwei Seiten zum Thema "Wir sind eine Nation der Frühaufsteher" darüber belehrt, dass "wir Österreicher durchschnittlich um exakt 6.14 Uhr aufstehen". Dazu noch eine Lobpreisung der Caritas durch Barbara Stöckl, eine Kolumne von Pfarrer Chalupka, in der dieser die im "Krone"-Umfeld geradezu häretisch wirkende Ansicht äußert, "niemand will schutzlos sein, deshalb sollen wir die Fremden aufnehmen", und sogar das in der Regel politisch unverfängliche "Heitere Bezirksgericht" widmet sich subversiv spöttisch dem "Frühaufstehen". Vom einst zur bedingungslosen Kurz-Verteidigung errichteten "Krone"-Bollwerk bleibt bei diesem Thema nur die feuchte Boulevard-Ruine Michael Jeannée als trauriger Rest über.

Vielleicht ist dieser spontane Liebesentzug eine Reaktion auf jene Stimmen aus dem Volk, die den kecken Kanzlerspruch mit "Bitte, woher will der das wissen?" kommentieren. Und genau da wird Sebastian Kurz unrecht getan.

Die Studienzeit unseres Bundeskanzlers

Um seine wahre Kompetenz in dieser Angelegenheit zu erkennen, muss man einen Blick zurück in jene Zeit werfen, deren durchaus beeindruckende Erfolgsbilanz bislang nicht ausreichend gewürdigt wurde: nämlich auf die Studienzeit unseres Bundeskanzlers. Zu deren Bewertung werden zumeist oberflächliche und nur vermeintlich aussagekräftige Parameter wie Prüfungen, Zeugnisse oder Abschlüsse herangezogen. So gut wie nie wird erwähnt, dass er neben seinem Studium als Versicherungsvertreter aktiv war. Eine herausfordernde Tätigkeit, bei der der junge Kurz nicht nur die Grundlagen seiner rhetorischen Überzeugungskraft entwickeln konnte, sondern auch beim frühmorgendlichen Weg von Tür zu Tür Einblick in die Lebenswelten der Mitbürger gewonnen hat. Wie oft wurden da wohl seine eloquent präsentierten Versicherungslösungen nur von ratlos blickenden Kinderaugen erwidert? Wie sehr musste er schon damals sich in Konkurrenz zu NGO-Vertretern behaupten? Was konnte er von anderen Mitbewerbern lernen? Vielleicht das Motto "Erwachet!" von den Zeugen Jehovas?

Auf jeden Fall dürfte er sich diesem Nebenjob mit solcher Hingabe gewidmet haben, dass wir heute Fragen aus Deutschland nach dem Erfolgsgeheimnis unseres Kanzlers so beantworten können: ein Karl-Theodor zu Guttenberg, der rechtzeitig sein Studium abgebrochen hat. (Florian Scheuba, 16.1.2019)