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"Keinen Schritt zurück", forderten diese Frauen in Pamplona am Dienstag.

Foto: AP/Alvaro Barrientos

In über hundert spanischen Städten gingen am Dienstag die Menschen auf die Straße. Ihr Motto: "Unsere Rechte werden nicht verhandelt." Aufgerufen hatte ein Bündnis aus rund 200 Frauenorganisationen. Zehntausende machten ihrem Unmut über die neue Rechtsregierung im südspanischen Andalusien Luft.

Dort begann in der regionalen Hauptstadt Sevilla am Dienstag die entscheidende Parlamentsdebatte, die am Mittwoch mit der Wahl des Konservativen Juan Manuel Moreno zum Ministerpräsidenten endete. Das von ihm geführte Kabinett ist eine Koalition seines Partido Popular (PP) mit den rechtsliberalen Ciudadanos (Cs). Eine Mehrheit haben die beiden, weil die rechtsradikale Vox sie stützt. Sie hatte Themen wie den Kampf gegen sexuelle und häusliche Gewalt und die Gleichstellung von Frauen zum Verhandlungsgegenstand gemacht.

Moreno, der nach 37 Jahren die Sozialisten in der Regionalregierung ablöst, weiß, was die Ultrarechte von ihm erwartet. Während draußen vor dem Parlament in Sevilla tausende Frauen demonstrierten, versprach Moreno, "die Gesetze zu verbessern", sodass "alle Opfer geschützt werden".

Familie vor Gleichstellung

Er stellte damit Gewalt gegen Frauen auf die gleiche Stufe wie die wenigen Fällen von häuslicher Gewalt gegen Männer – so wie Vox dies tut – und kehrt damit ein strukturelles Problem unter den Teppich. 2015, im letzten Jahr, für das es derzeit Vergleichswerte gibt, wurden 60 Frauen von Männern und zehn Männer von Frauen ermordet. 2018 gab es 47 Morden an Frauen.

Zudem versprach Moreno, "die Familie" zur Leitlinie seiner Politik zu machen. Familien- statt Gleichstellungspolitik, auch das wünschte sich Vox. "Nicht ein Schritt zurück", hallt es über den zentralen Platz Puerta del Sol in Madrid, wo neben Sevilla die größte Kundgebung stattfand. Unter den Demonstrantinnen und Demonstranten befinden sich die 43-jährige Dara Sánchez mit ihrer 80-jährigen Mutter María Ángeles Sánchez. "Ich bin es leid, immer wieder für das Gleiche auf die Straße zu gehen", sagt die Tochter. Die Marketingangestellte wäre gar nicht gekommen, "hätte mich nicht meine Mutter ermutigt". Für Letztere war es keine Frage. "Ob zu Hause auf den Kanarischen Inseln oder hier: Wir müssen unsere Rechte verteidigen."

Errungenschaften für Frauen

María Ángeles Sánchez zählt auf, wofür sie als Frau in ihrem Leben schon alles gestritten hat: Als sie jung war, konnten Frauen in Spanien weder ein Konto eröffnen noch einen Pass beantragen, ohne dass der Vater oder der Ehemann unterzeichnete. Die Möglichkeit zur Scheidung gab es nicht, Abtreibung war verboten. "Ich habe mich mit der Ungerechtigkeit nie abgefunden", sagt sie. Es "leid sein", so wie ihre Tochter es sagt, gibt es für María Ángeles nicht.

"Madrid wird das Grab des Machismus sein" und "Madrid wird das Grab des Faschismus sein" hallt es abwechselnd über die Puerta del Sol, die sich mittlerweile fast ganz gefüllt hat. In der Hauptstadtregion ist die Sorge groß, denn Vox schneidet bei den Umfragen für die Regionalwahl im kommenden Mai gut ab, und der konservative PP hat bereits angekündigt, auch hier mit den Rechtsextremisten paktieren zu wollen, falls dies die Mehrheit sichert, die er bisher schon dank Cs hat.

Auch Mutter und Tochter Sánchez sind sich darüber im Klaren. "Im Mai müssen alle wählen gehen, statt danach zu heulen", sagt María Ángeles. "Wenn nicht, werden wir hier in Madrid und später im spanischen Parlament das Gleiche erleben wie in Andalusien", fügt Tochter Dara an. Am 8. März, zum Internationalen Frauentag, wird erneut zur Gleichstellungsdemo aufgerufen. (Reiner Wandler aus Madrid, 17.1.2019)