Wien – Es war ein langer Rechtsstreit, der für einen 77-jährigen ehemaligen Revierinspektor schlussendlich doch noch gut ausgegangen ist: 1976 wurde der Mann aus dem aktiven Polizeidienst entlassen, damals war er seit 13 Jahren Polizeibeamter. Grund dafür war eine Verurteilung nach dem aus heutiger Sicht homophoben Sonderstrafgesetz (Paragraf 209 Strafgesetzbuch), das die "Sondermindestaltersgrenze" für Beziehungen zwischen Männern mit 18 Jahren festsetzte, während lesbische und heterosexuelle Beziehungen ab 14 Jahren legal waren.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Österreich wegen der jahrelangen strafrechtlichen Verfolgung homo- und bisexueller Männer aufgrund dieses Gesetzes wiederholt verurteilt, der Paragraf ist im Sommer 2002 außer Kraft getreten.

Disziplinarkommission sah "abwegige Neigung"

Die Disziplinarkommission bei der Bundespolizeidirektion Wien sprach seinerzeit von einer "abwegigen Neigung" und davon, dass der Mann "eine der denkbar schwersten Pflichtverletzungen" begangen habe. Es stehe außer Frage, "daß Homosexuelle in den Reihen der Sicherheitsexekutive für diese an sich schon eine arge Belastung darstellen". "Ein Mann, dessen homosexuelle Neigungen schon bekannt sind, würde wohl kaum Aufnahme bei der Sicherheitswache finden!" Die Strafe für den Mann damals: drei Monate Kerker, verschärft durch einen Fasttag monatlich.

Kürzung der Pension

Die Disziplinarstrafe ist nach wie vor aufrecht. Der Mann konnte nie wieder in den Polizeidienst eintreten. Außerdem wurde ihm die – wegen der geringen Dienstzeit ohnehin geringe – Pension um ein Viertel gekürzt. Das wollte er rechtlich bekämpfen und eine Nachzahlung erwirken. Die zuständige Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) lehnte das allerdings im Jahr 2010 ab.

Der Polizist wandte sich deshalb an den Verwaltungsgerichtshof und bekam zunächst recht – die BVA musste also über die Nachzahlung entscheiden. 2015 kam sie dem nach, allerdings wurde die Pension viel zu niedrig berechnet, weil die Jahre seit der Entlassung bis 2002 nicht mitgezählt wurden.

Rückschlag am Bundesverwaltungsgericht

Der Mann beschwerte sich also abermals beim Bundesverwaltungsgericht. Dort erkannte die Richterin allerdings auf einmal überhaupt keine Diskriminierung mehr in dem Fall. Die damaligen Handlungen, die damals für Heterosexuelle legal waren und heute für alle legal sind, würden "eine der denkbar schwersten Pflichtverletzungen" darstellen, entschied die Richterin im Jahr 2016. Die Geschichte ging somit an den Europäischen Gerichtshof (EuGH).

In letzter Instanz erfolgreich

Nun wurde dort entschieden, dass der bis heute andauernde strafweise Abzug von der Pension eine verbotene Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung darstellt und der Mann dafür zu entschädigen ist.

Helmut Graupner, Vorsitzender des Rechtskomitees Lambda, das sich für die Rechte homo- und bisexueller sowie transidenter und intergeschlechtlicher Menschen einsetzt und auch die Ehe für alle vor den Verfassungsgerichtshof brachte, war der Anwalt des ehemaligen Polizisten. Graupner freute sich über die Entscheidung: "Selbstverständlich hätten entsprechende heterosexuelle Handlungen von heterosexuellen Kollegen nie zu deren Entlassung geführt, und die Disziplinarkommission hatte die Entlassung sogar ausdrücklich mit der 'abwegigen Neigung' Homosexualität begründet." (lhag, 17.1.2019)