Lindsey und Lucy Vonn (re) werden vermutlich nicht mehr sehr oft im Rampenlicht stehen.

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Cortina d'Ampezzo – Lucy langweilt sich. Das Hündchen sitzt in der Kongresshalle von Cortina d'Ampezzo auf dem Schoß von Frauerl Lindsey Vonn und schaut verständnislos in den Saal voller aufgeregter Reporter. Dabei hat Vonn vor ihrem mit Spannung erwarteten Comeback durchaus Interessantes zu erzählen.

"Schade, dass ich nicht noch einige Jahre fahren kann", sagt sie, "es fehlt nicht an Motivation, Hingabe oder Willen, es fehlt an Knorpel." Lucy hechelt. "Mein Körper sagt mir: Es ist genug!", fährt Vonn fort, "Er kann nicht mehr das tun, was ich liebe. Wenn ich eines Tages mit meinen Kindern ohne Schmerzen Ski fahren will, muss ich aufhören. Es gibt ein Leben nach dem Sport."

Noch aber, betont die 34-jährige "Speed-Queen", noch sei sie "nicht fertig". Nach ihrer abermaligen Knieverletzung im vergangenen November mag sie zwar erst acht Skitage in den Beinen haben, doch sie sei in die Dolomiten gekommen, "um zu gewinnen". In der Vergangenheit sei sie bei Comebacks mitunter kalkuliert gefahren, habe das letzte Risiko gemieden. Das sei jetzt anders. "Ich fahre nur auf Sieg, mir ist egal, was passiert."

Der Traum lebt

Schließlich jagt Vonn noch immer ihrem letzten großen Ziel nach, Ingemar Stenmark an Weltcupsiegen zu übertreffen. 86 Rennen hat der legendäre Schwede gewonnen, Vonn 82. "Es ist mein Hauptziel, diesen Rekord zu knacken", sagt sie. Olympiasieg in der Abfahrt 2010, zwei WM-Titel, sieben weitere Medaillen, 20 Kristallkugeln, vier für den Gesamtweltcup, auch ohne eine neue Bestmarke "ist meine Karriere unglaublich und mehr, als ich mir je erträumt hatte", betont Vonn. Und doch: "Ich hoffe, dass ich es schaffen kann, es ist mein Traum."

Allein: Die Zeit läuft ihr davon. Wegen ihrer körperlichen Beschwerden hat sie vor einigen Wochen ihr Karriereende für März 2019 verkündet. Zwar will sie im Herbst noch einmal an ihren Lieblingsort Lake Louise (Kanada) zurückkehren, aber "da will ich nur sicher ins Ziel kommen". Das bedeutet: Vonn bleiben nur noch die zehn Speedrennen in diesem Winter für fünf Siege.

Cortina ist aus ihrer Sicht der ideale Ort, um dieses schier unmögliche Unterfangen zu starten: 2004 stand sie hier erstmals auf dem "Stockerl", 2015 übertraf sie auf der "Tofana", wo sie zwölfmal gewann, Österreichs Jahrhundertsportlerin Annemarie Moser-Pröll mit den meisten Siegen einer Frau. "Das ist eine super Strecke für mich, ich liebe Cortina", sagt Vonn und krault Lucy das rechte oder auch das linke Ohr.

Was sie nicht sagt: Ihre Rekordjagd lässt sich in den USA gut verkaufen. NBC Sports überträgt die erste Abfahrt aus Cortina in aller Herrgottsfrühe, Amerika giert nach diesen Geschichten voller Drama. Und Vonn heizt den Hype klarerweise gerne an. Von Eurosport lässt sie sich für die Doku Chasing History auf Schritt und Tritt begleiten, auf ihrem neuen Youtube-Kanal gibt sie Einblicke in ihr Leben.

Die Frage bleibt: Kann sie es schaffen? "Ich bin zwar nicht zu 100 Prozent gesund, aber zu 100 Prozent stark", sagt Vonn. Die Wahrheit liege auf der Piste. Lucy wird sich während der Rennen rechtschaffen fadisieren, aber das ist sie gewohnt. Freitag und Samstag wird abgefahren, am Sonntag steigt ein Super-G. Im Training hielt das Frauerl mit. (sid, red, 17.1.2019)