"Die öffentliche Diskussion dreht sich derzeit aber nur um zwei Extreme. Auf der einen Seite geht es überspitzt formuliert um die Frage "Wo drehe ich den Computer auf?", und auf der anderen Seite sind wir auf der Ebene 'Raketenwissenschaft'."

Egal wie man es dreht und wendet – der Begriff Digitalisierung polarisiert: Einige zucken bei der Vorstellung einer "digitalisierten Arbeitswelt" immer noch ängstlich zusammen, andere wenden sich wiederum aufgrund der überproportionalen Verwendung des Begriffs genervt ab. Für beide Gruppen gibt es aber schlechte Nachrichten: Die Digitalisierung wird die Gesellschaft begleiten. Das deuten bereits erste politische Ankündigungen an: So will etwa das Bildungsministerium im Frühjahr seinen Masterplan Digitalisierung vorstellen. Und auch die von der Regierung angekündigten modernisierten Lehrausbildungen – wie Coding oder E-Commerce-Kaufmann – nehmen langsam Fahrt auf.

Keine Sekunde zu früh, wie ein Blick auf den Arbeitsmarkt zeigt: "Java-Developer", "KI-Experte" oder "Blockchain-Guru" dominieren die Jobinserate, während sich gleichzeitig das Rückgrat der heimischen Wirtschaft, die KMU, selbst zu einem hohen Prozentsatz noch als "digitale Neulinge" bezeichnet. Diese weiter aufklaffende Schere zwischen Nachfrage und Angebot hat verschiedenste Gründe.

Ein großes Problem liegt sicher darin, dass viele für sich nicht übersetzen können, welche Kompetenzen die Digitalisierung der Arbeitswelt nun konkret von ihnen verlangt – egal ob Unternehmen oder Arbeitnehmer. Blockchain, künstliche Intelligenz oder Coding sind vielleicht die Schlüsseltechnologien der Gegenwart – eine große Zahl der Menschen schüchtern sie aber primär ein.

"Das ist nichts für mich"

Negative Erinnerungen an den Mathematikunterricht, gesellschaftlich forcierte Stereotype oder schlicht ein inhaltlich anders ausgeprägter Interessenfokus lassen viele glauben: "Das ist nichts für mich." Und das führt dazu, dass viele gänzlich in Opposition zu dem Thema gehen. Es gibt derzeit nur ganz oder gar nicht, wie es scheint.

Vor allem die anhaltende Diskussion über die Notwendigkeit von Programmierkenntnissen habe diese Situation nicht entschärft, sondern im Gegenteil zugespitzt: Grundlegende Programmierkenntnisse werden im Zuge der technischen Entwicklung in immer mehr Bereichen wichtig, das stimmt. Marketing, Vertrieb, Produktion, Beschaffung, Human Resources – überall kann man sich mit dementsprechenden Kompetenzen das Leben leichter machen. Das heißt aber nicht, dass gleich jeder Java-Developer werden muss. Es geht um ein Grundverständnis der Programmierlogik und wie man sich diese im Arbeitsalltag zunutze machen kann.

Nur zwei Extreme

Die öffentliche Diskussion dreht sich derzeit aber nur um zwei Extreme. Auf der einen Seite geht es überspitzt formuliert um die Frage "Wo drehe ich den Computer auf?", und auf der anderen Seite sind wir auf der Ebene "Raketenwissenschaft". Dazwischen spielen sich aber vermutlich 80 Prozent der Bedürfnisse der heimischen Arbeitnehmer ab. Viele unserer Kunden interessieren sich beispielsweise für eine Karriere im Sozialbereich. Die wollen gar keine Programmierer werden. Wenn wir ihnen aber zeigen, wie das Wissen über Excel-Makros den Arbeitsalltag erleichtern kann oder wie man im Onlinebereich Neukunden gewinnt, steigt plötzlich das Interesse.

Genau hier müssen wir ansetzen: Es geht um einen niederschwelligen und vor allem auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittenen Zugang zum Thema. Es gibt nicht "die Digitalkompetenzen", die für alle von Nutzen sind. Und das müssen wir Bildungsinstitute offenbar noch deutlicher transportieren.

Denn: Jeder kann in irgendeiner Form von der Digitalisierung profitieren, und das Ausbildungsangebot ist auch da. (Franz-Josef Lackinger, 23.1.2019)