Heinz-Christian Strache (FPÖ) wollte gegen ein angeblich gefälschtes Foto gerichtlich vorgehen. Es war jedoch echt.

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Die Motive des Vizekanzlers sind noch nicht vollständig geklärt: Was veranlasste ihn dazu, den SPÖ-nahen Kommunikationsberater Rudolf Fußi zu klagen? Gegenstand war ein von Fußi verbreitetes Foto, das Strache an einem Tisch mit hohen Funktionären der rechtsextremen Identitären zeigt. Strache wollte vor Gericht erwirken, dass Fußi das Bild löscht – denn es handle sich um eine Fälschung. Paradox: Die Existenz des Fotos war einer breiteren Öffentlichkeit bis Prozessbeginn kaum bekannt. Das hat sich nun geändert.

Auch weil der Vizekanzler vor Gericht die Unwahrheit gesagt hat. Denn wie Fußis Anwältin Maria Windhager (sie vertritt auch den STANDARD, Anm.) im Verhandlungssaal beweisen konnte, ist das Foto echt. Sein Anwalt änderte daraufhin die Klage ab: Strache sei zwar mit gewissen Personen an einem Tisch gesessen, es habe sich aber anders als von Fußi behauptet nicht um ein "gemütliches Zusammensein" gehandelt.

Die SPÖ fordert wegen Straches Aussage seinen Rücktritt: "Es geht um die Art und Weise des Umgangs mit der Wahrheit", sagt Justizsprecher Hannes Jarolim. Straches Verhalten sei "ein klassischer Rücktrittsgrund". Auch für Neos-Justizsprecherin Irmgard Griss ist die "Art der Einschüchterung" ein "Zeichen politischer Unkultur".

Bewusste Lücke im Gesetz

Rechtliche Konsequenzen hat Strache jedenfalls nicht zu befürchten. Er hat zwar zu Beginn der Verhandlung faktenwidrig behauptet, dass es sich bei dem Foto um eine Fälschung handle. Und das Strafrecht verbietet falsche Beweisaussage vor Gericht, jedoch mit Ausnahmen: Diese gelten etwa für Kläger oder Beklagte. Das ist vom Gesetzgeber durchaus so gewollt, erklärt Andreas Scheil, Professor für Strafrecht an der Universität Innsbruck: "Die Idee dahinter ist, dass man auch unklare Dinge vor Gericht einklagen kann, ohne dass man jedes Mal ein Strafverfahren fürchten muss."

Strafbar ist die Falschaussage für eine Partei im Prozess nur, wenn sie unter Eid fällt – das war beim Vizekanzler nicht der Fall.

Doch selbst wenn der Vizekanzler unter Eid gestanden hätte, wäre Straches Korrektur, dass das Foto doch nicht gefälscht war, als "tätige Reue" durchgegangen, sagt Scheil: Wer die Folgen seiner Tat rechtzeitig rückgängig macht, geht straffrei aus. Das funktioniert beim Ladendiebstahl wie bei der Falschaussage.

Die Frage, was rechtlich zulässig, ethisch aber bedenklich ist, stellte sich auch bezüglich Straches Begleiter bei der Gerichtsverhandlung: Sein Rechtsanwalt Michael Rami ist nämlich auch Richter am Verfassungsgerichtshof (VfGH). Dieser Gerichtshof ist der Hüter der Verfassung, als solcher korrigiert er auch Entscheidungen der Bundesregierung – also Beschlüsse, an denen auch Vizekanzler Strache und Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) – er ist ebenfalls Ramis Mandant – mitwirken.

"Das ist zumindest eine schlechte Optik", sagt dazu Verfassungsrechtler Heinz Mayer. Und auch Verfassungsjurist Peter Bußjäger, der sich grundsätzlich als "sehr zurückhaltend" mit Kritik an Unvereinbarkeiten von Verfassungsrichtern im Anwaltsberuf bezeichnet, schrieb auf Twitter: "Dass Mitglieder der Bundesregierung vor Gericht durch einen Verfassungsrichter vertreten werden, schaut wirklich nicht gut aus."

Dem VfGH sind solche Unvereinbarkeiten nicht fremd. Im Durchschnitt kommt es laut VfGH einmal pro Session vor, dass sich ein Verfassungsrichter oder eine Verfassungsrichterin für befangen erklärt, weil er oder sie im Nebenberuf oder im Privatleben gewisse Berührungspunkte mit der jeweiligen Thematik hat. Bei Rami wäre das laut dem ehemaligen Verfassungsrichter Rudolf Müller dann der Fall, wenn ein Gesetzesprüfungsverfahren eines Bundesgesetzes stattfindet. Heinz Mayer hingegen sieht Rami "bei allen Angelegenheiten, die einen Bezug zur FPÖ haben", befangen: Er müsste sich somit zum Beispiel bei allen Wahlanfechtungen befangen erklären.

Richter als Aufsichtsräte

Was aber, wenn es ein Verfassungsrichter nicht gar so genau nimmt und sich selbst nicht für befangen erklärt, obwohl er es sollte? Dann könne das Plenum gegen ihn entscheiden, sagt Müller. Das sei aber eine theoretische Frage: "In 20 Jahren am VfGH habe ich das nie erlebt."

Befangenheiten sind aber nicht immer so offensichtlich wie im Fall Rami. So sind beispielsweise einige Verfassungsrichter auch Aufsichtsräte in großen Unternehmen. "Niemand weiß, was die Tochterunternehmen für Beteiligungen haben, die von Entscheidungen des Gerichtshofs betroffen sein könnten", sagt Mayer.

Der Verfassungsrechtler plädiert daher dafür, Nebentätigkeiten von VfGH-Richtern strenger zu regeln. Er verweist auf das deutsche Modell: Dort dürfen Verfassungsrichter nur als Professoren tätig sein – und müssen ihre konkrete Tätigkeit und die dafür lukrierten Einnahmen im Detail offenlegen. (Sebastian Fellner, Maria Sterkl, 18.1.2019)