Wirklich dicke Freunde werden Markus Söder und Horst Seehofer wohl nicht mehr. Aber sie arbeiten auch künftig zusammen, Seehofer bleibt Innenminister in Berlin.

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Neulich haben sie wieder fürchterlich gelacht über den Horst. Und die Augen verdreht. Der 69-Jährige sprach über den jüngsten Hackerangriff auf Politiker wie Prominente in Deutschland und ließ dabei Verblüffendes wissen: "Ich bin auch sehr im Internet unterwegs. Nicht so sehr mit Ihnen und mit Twitter und so weiter ... aber seit den Achtzigerjahren."

Im Internet. Seit den Achtzigerjahren. Wenn es noch eines Beweises bedurft hatte, dass Seehofer nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist und jetzt wirklich für Jüngere Platz machen muss – er war für viele mit diesem Satz erbracht.

Und heute, Samstag, ist es ja so weit. Seehofer wird sich in München von seiner CSU verabschieden, diesmal endgültig.

Es wird keinen Aufschub mehr geben, auch keinen Rücktritt vom Rücktritt. Zum Abschied zeigt sich der Ingolstädter einmal einsichtig: "Ich habe akzeptiert, dass auch die schönsten Dinge im Leben endlich sind. Da ist am Anfang Wehmut, am Ende stehen aber Dankbarkeit und Zufriedenheit."

27 Jahre – so lang wie Übervater Franz Josef Strauß – war Seehofer nicht Parteichef, aber mit zehn Jahren und drei Monaten stand er länger an der CSU-Spitze als Edmund Stoiber.

Wäre es nach Seehofer gegangen, hätte die Zeit noch länger sein können. 2007 war das Jahr, in dem die CSU genug vom damaligen bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Stoiber hatte. Er musste abtreten, und Seehofer wollte gern Parteichef werden. Aber er unterlag seinem innerparteilichen Rivalen Erwin Huber. Zuvor hatte irgendjemand der Bild-Zeitung gesteckt, dass Seehofer in Berlin ein uneheliches Kind hat. Es heißt, Markus Söder sei der Informant gewesen, aber bewiesen ist das nicht.

Partei lag am Boden

Doch 2008 erlitt die CSU mit dem Duo Erwin Huber / Günther Beckstein (als Ministerpräsident) eine fürchterliche Niederlage. Die absolute Mehrheit ging verloren, "die Partei lag am Boden", erinnert sich Seehofer. Da wurde er dann gebraucht, da riefen sie ihn. Seehofer übernahm die Staatskanzlei und den CSU-Vorsitz. Demut und Bescheidenheit predigte er seinen Leuten, und die Rechnung ging auf: Bei der Landtagswahl 2013 holte die CSU die Absolute zurück. Doch dann passierte, was Seehofer heute als seinen größten politischen Fehler bezeichnet: Er erklärte, im Jahr 2018 nicht mehr antreten zu wollen. "Das lähmte die inhaltliche Arbeit", räumte er nun im großen Abschiedsinterview mit der Welt am Sonntag ein.

Dauerstreit mit Merkel

Es kamen noch andere grobe Fehler dazu: die ewigen Scharmützel mit seinem Rivalen Söder und der Dauerstreit mit der CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingspolitik. Unvergessen ist die Szene vom CSU-Parteitag im Herbst 2015.

Da kanzelte Seehofer Merkel auf offener Bühne wie ein Schulmädchen ab. Die Beziehung der beiden hat sich davon nie ganz erholt. Von diesem demütigenden Augenblick an haben auch viele in der CSU den beratungsresistenten Seehofer nicht mehr verstanden. Seine Zeit begann schneller abzulaufen, er nervte viele.

Doch Seehofer wollte auf einmal bleiben und unbedingt Söder verhindern. Selbst nach der verheerenden Wahlniederlage bei der bayerischen Landtagswahl im Oktober 2018 war er nicht bereit für den sofortigen Rückzug.

Der Streit nervt Söder

Jetzt müssen es Markus Söder als CSU-Chef und Annegret Kramp-Karrenbauer als neue CDU-Vorsitzende besser machen. Der Auftakt ist gelungen, Anfang Jänner demonstrierten die beiden bei der Klausur der CSU-Landesgruppe im bayerischen Seeon sehr viel Harmonie. "Streit nervt", erklärte Söder und beschrieb das neue Motto so: Weniger Zank, dafür ein "hochkooperatives Miteinander".

Kramp-Karrenbauer wird auch am Samstag in München bei den Christsozialen vorbeischauen und in ihrer Rede vermutlich den Zusammenhalt beschwören. Auseinandersetzungen wie jene zwischen Seehofer und Merkel soll es künftig nicht geben.

Seehofer geht aber nicht ganz, er bleibt Innenminister in Berlin. Pläne, dass Söder ihn abberufen könnte, sind nicht bekannt. Dabei könnte der 69-jährige Seehofer längst in Pension gehen. Doch er hat einmal eingestanden, dass Politik für ihn wie eine Sucht sei.

Und er hat noch vieles klarzustellen, denn Seehofer liegt mit Journalisten in freundlichem Dauerclinch. Permanent fühlt er sich missverstanden und muss oft ausführlich aufklären. Er sei etwa gar nicht so ein harter Hund, hat er jetzt betont. Vielmehr hätten die Medien vieles falsch gesehen: "Es ging in vielen Medien gegen mich als Person. Man hat mich in die rechte Ecke gestellt, sogar mit Beate Zschäpe wurde ich verglichen."

Er selbst schreibt sich auf die Fahnen, dass er als Parteichef die CSU "vor dem Irrweg des Neoliberalismus bewahrt" habe. Den gleichen Krankenversicherungsbeitrag und einheitliche Steuersätze für den Vorstandsvorsitzenden und dessen Fahrer habe er abgewehrt. Das wollte Merkel früher einmal. Noch im Abgehen schafft Seehofer eine Spitze gegen sie. (Birgit Baumann aus München, 19.1.2019)