Ein Herz für Wien und gegen die "herzlose" Politik der Bundesregierung: Bürgermeister Michael Ludwig will die Kritik an den lang schlafenden Wienern für seine Zwecke nutzen.

Foto: Standard/Cremer

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig rief seine rote Regierungsmannschaft zusammen. Für Montagvormittag luden er und sämtliche Stadträtinnen und Stadträte der Wiener SPÖ zu einer gemeinsamen Pressekonferenz. Sieben Politiker auf dem Podium, der Anlass ein dringlicher. Tatsächlich geht es Ludwig darum, in Reaktion auf die Aussage von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), die im Zuge der Debatte über die Verschärfung der Mindestsicherung gefallen ist, einiges richtigzustellen. "Zusammen sind wir Wien", lautet der semikämpferische Titel. Man wolle sich "mit Stärke und Stolz vor die Wienerinnen und Wiener stellen", so ein Sprecher.

Mehr als eine Woche ist es her, dass Kurz in den Raum stellte, immer weniger Wiener würden in der Früh aufstehen, um zu arbeiten. In immer mehr Familien seien es außerdem "nur mehr die Kinder, die in der Früh aufstehen, um in die Schule zu gehen", erklärte der Kanzler bei der Regierungsklausur in Mauerbach.

"Herzlose Politik"

Nicht nur in den sozialen Medien war der Aufschrei groß, auch die SPÖ wies die Aussagen vehement zurück. So prangerte Ludwig das "Wien-Bashing" der türkis-blauen Regierung an und verurteilte die "herzlose" Politik von Kurz und Co. Er vertrat auch die Meinung, die Aussage habe taktische Hintergründe, um im Vorfeld der Wien-Wahl die Politik der SPÖ schlechtzumachen.

Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts OGM für den Kurier zeigt jedoch, dass Kurz' Aussagen durchaus Anklang finden. Eine Mehrheit der Österreicher (47 Prozent) und auch eine knappe Mehrheit der Befragten in Wien (42 Prozent) hält die Äußerungen in puncto Langschläfer für berechtigt. Wenig überraschend sind es vor allem Wähler von ÖVP (75 Prozent) und FPÖ (68 Prozent), die Kurz' Meinung unterstützen.

In der Wiener SPÖ will man den Umfrageergebnissen nicht zu viel Bedeutung beimessen. Solche Umfragen seien immer eine Frage des Designs und der Fragestellung, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Man lasse sich davon nicht aus der Bahn werfen. Weiteres Ergebnis von OGM: Dass Sozialstadtrat Peter Hacker angekündigt hat, die Reform der Mindestsicherung in Wien nicht umzusetzen, wird nicht goutiert. Bundesweit fordern 47 Prozent, in Wien immerhin 40 Prozent, Hacker solle die Reform mittragen.

Bei der heutigen Pressekonferenz waren die Stadträtinnen und Stadträte angehalten, "unaufgeregt" eine Art Leistungsschau zu bieten: Wo werden Maßnahmen gesetzt, und was ist in der Zukunft geplant?

Lebensqualität und leistbare Kosten, etwa fürs Wohnen, stehen dabei im Vordergrund. Vor allem auf die soziale Verträglichkeit von Maßnahmen wird Wert gelegt: Was wird für Alleinerzieherinnen getan? Wer erhält vergünstigten Eintritt in Museen und Theater? Und wie ist es um die gesundheitliche Versorgung der Wienerinnen und Wiener bestellt?

Der grüne Koalitionspartner war übrigens informiert über den Termin, auf dem Podium waren aber weder die aktuelle Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou noch die neue Wiener Grünen-Chefin Birgit Hebein vertreten, die gemeinsam mit Hacker das Nein zur Mindestsicherungsreform verkündete.

Ein Jahr an der Spitze

Diese Woche jährt sich auch Ludwigs Wahl zum Vorsitzenden der Wiener SPÖ zum ersten Mal. Am 26. Jänner des Vorjahrs konnte er die Kampfabstimmung gegen Andreas Schieder, der nun SPÖ-Spitzenkandidat bei der EU-Wahl ist, für sich entscheiden. 57 Prozent stimmten für Ludwig, eine Spaltung der Partei, wie sie noch während der Auseinandersetzung um den Platz an der Spitze befürchtet worden war, trat nicht ein. Sein Bürgermeisteramt trat Ludwig am 24. Mai an, zehn Tage davor präsentierte er sein Team, das heute geschlossen antritt, um Wien aus dem unterstellten Schmuddeleck zu holen. (Rosa Winkler-Hermaden, 20.1.2019)