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Die ÖVP braucht die FPÖ – als verlässlichen Partner in der Regierung und als verlässlichen Gegner im EU-Wahlkampf. Ohne die FPÖ, die jetzt, mit deren wohlwollendem Einverständnis natürlich, in wohldosierten Schüben zum Schreckgespenst der konservativen EU-Anhänger stilisiert wird, hätte die ÖVP ein echtes Mobilisierungsproblem. Alles läuft bestens, Gegner sind nicht in Sicht, da ließen sich Funktionäre und Wähler kaum aus der heimeligen Komfortzone hinaustreiben.

Die SPÖ ist im derzeitigen Zustand ein Jausengegner, an dem man sich gerade in einem EU-Wahlkampf kaum zu reiben vermag, die Neos sind auch keine wirkliche Gefahr, also braucht es ein böses Krokodil, das dem Publikum mit etwas Theaterdonner den wohligen Schauer der Angst den Rücken hinunterlaufen lässt.

Harald Vilimsky, der Spitzenkandidat der FPÖ, gibt dieses Krokodil mit großem Vergnügen und aus voller Überzeugung. Er bastelt mit anderen Rechten an einem Block der EU-Ungustln, die sich darin einig sind, die europäische Einheit sprengen, die europäischen Institutionen in ihrer jetzigen Form zerstören und ihre Protagonisten der Lächerlichkeit preisgeben zu wollen – alles zum vermeintlichen Wohl der Nationalstaaten.

Solange Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache nicht höchstpersönlich den umgehenden Austritt Österreichs aus der EU fordert, haben die Freiheitlichen in diesem Wahlkampf den Sanktus von Sebastian Kurz, kräftig an diesem Europa zu rütteln. Um jeweils ihr eigenes Wählerpotenzial maximal ausschöpfen zu können, brauchen ÖVP und FPÖ einen koalitionären Freiraum, in dem sie unter kontrollierten Bedingungen auch gegeneinander agieren können.

Die FPÖ, die zuletzt in den Umfragen geschwächelt hat, braucht wieder Bestätigung und muss ihre Klientel pflegen – das geht am besten mit destruktivem Dagegensein. Othmar Karas, ein glühender Europäer und so fest in den europäischen Institutionen verwachsen, dass er aus österreichischer Perspektive kaum noch sichtbar ist, gibt da ein gutes Feindbild ab. Die gegenseitige Abneigung zwischen Karas und Vilimsky ist ehrlich und tief empfunden, die beiden werden diese Feindschaft auch im Wahlkampf mit allerlei zärtlich ausgetauschten Gehässigkeiten pflegen. Karoline Edtstadler, die strenge Staatssekretärin aus dem Innenministerium, ist dagegen eine echte Herausforderung für Strache und Co: Sie fährt mit ihrer Law-and-Order-Politik so glasklar FPÖ-Linie, dass es schwierig wird, sie nicht toll zu finden.

Die SPÖ hat es da ganz schwer. Ihr Spitzenkandidat heißt Andreas Schieder, das macht es keineswegs leichter. Um in diesem Wahlkampf mitspielen zu können, bräuchte es ein bisschen Glanz, Glamour und Charisma, ein paar klare Botschaften wären auch nicht schlecht. Mit der knochentrockenen, in Ausschüssen errungenen Sachkompetenz wird sich Schieder kaum verständlich machen können. Karas hat Erfahrung und Haltung, Vilimsky die Aggression und eine Mission, da bräuchte Schieder die Leidenschaft und den Kampfeswillen. Beides hat er bisher gut verborgen.

In dieser Konstellation Tritt zu fassen wird für die SPÖ eine schwierige Aufgabe. Letztendlich wird sie einen Gegner namhaft machen, der in diesem Wahlkampf gar nicht antritt: Sebastian Kurz. Dem kann das nur recht sein: Ihm nützt die rote Mobilisierung mehr, als sie ihm schadet. (Michael Völker, 20.1.2019)