Israels Strategiewechsel in der Iran-Politik zeigte sich deutlich in der Nacht zum Montag: Ganz offen twitterte die Armee, dass sie soeben mit Angriffen auf iranische Ziele in Syrien begonnen habe, und fügte an: "Wir warnen die syrischen Streitkräfte vor dem Versuch, gegen israelische Truppen oder israelisches Gebiet vorzugehen." Zuvor hatten iranische Streitkräfte eine Rakete auf den Norden Israels abgefeuert – als Reaktion auf einen Angriff auf Ziele in Damaskus.

Bisher äußerte sich die Armee nicht oder nur äußerst selten und erst nach einiger Zeit zu Spekulationen darüber, dass Israel hinter den Angriffen stecke. Nun berichteten die israelischen Streitkräfte beinahe zeitgleich. Am Montagmorgen erklärte Armeesprecher Jonathan Conricus, eine unbestimmte Anzahl von iranischen Zielen in Syrien sei in der Nacht zum Montag getroffen worden – darunter Geheimdienst- und Trainingsanlagen sowie ein zentrales Waffenlager nahe dem internationalen Flughafen in Damaskus, von wo aus Waffen aus dem Iran an die Hisbollah und an die Quds-Kräfte weitergeliefert worden seien. Die Quds-Brigaden sind die Eliteeinheit der iranischen Revolutionsgarden, die außerhalb des Iran im Einsatz sind.

Strategiewechsel

Trotz Warnung hätten die syrischen Streitkräfte in der Nacht Luftabwehrraketen eingesetzt, sodass auch syrische Abwehrbatterien angegriffen wurden, so die Armee. Nach Angaben der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte sind bei den israelischen Angriffen elf Menschen ums Leben gekommen.

Israels Strategiewechsel kündigte sich schon vor einigen Tagen an: Zunächst sprach der scheidende Armeechef Gadi Eisenkot in einem Zeitungsinterview erstmals von "tausenden Zielen", die während seiner Amtszeit im Zuge der Militäroperation gegen den Iran angegriffen worden seien. Kurz darauf bestätigte Premier Benjamin Netanjahu, dass Israel hinter einem einige Tage zuvor geflogenen Angriff auf ein iranisches Waffenlager in Syrien stehe. "Die Häufung der jüngsten Angriffe beweist, dass wir mehr denn je entschlossen sind, in Syrien gegen den Iran vorzugehen", sagte Netanjahu.

Israels neue Offenheit ist vor allem als Warnung in Richtung Iran hinsichtlich dessen Machteinflusses in Syrien und der wachsenden Gefahr für Israel zu verstehen. Schließlich hat der Iran die Auslöschung des jüdischen Staates zum Ziel. "Wenn du der anderen Seite klarmachen willst, dass du entschlossen bist, dann kannst du entweder eskalieren, also stärker und raffinierter angreifen, oder du kannst öffentlich drüber sprechen, was du tust", analysiert der einstige nationale Sicherheitsberater Yaakov Amidror in einem Telefongespräch mit Journalisten.

Syrische Abwehrraketen steigen am frühen Montagmorgen in Damaskus auf. Israel gibt zu, ein zentrales Waffenlager nahe dem Flughafen der syrischen Hauptstadt beschossen zu haben.
Foto: APA/AFP/STR

Beobachter sehen im Vorgehen Israels auch ein Signal an Russland, dass Angriffe von syrischem Boden aus auf Israel nicht hingenommen werden. Dass Israels nächtliche Angriffe mit Moskau koordiniert worden wären, schließt Sicherheitsexperte Amidror aus: "Wir haben uns nie mit Russland koordiniert und werden es auch nie tun." Man informiere aber im Vorfeld über Aktionen in bestimmten Gebieten.

Rakete auf Golanhöhen

Neu ist auch das Vorgehen des Iran: So waren es Berichten zufolge iranische Truppen, die bereits am Sonntagnachmittag eine Mittelstreckenrakete aus syrischem Gebiet auf die von Israel annektierten Golanhöhen abfeuerten. Skifahrer auf dem Hermon-Berg im Norden filmten mit Handykameras, wie der Abfangschirm Iron Dome die Rakete vom Himmel holte. Dass es sich dabei um eine Boden-zu-Boden-Rakete aus iranischer Produktion handelt, zeige laut Armeesprecher Conricus, dass der Iran nicht spontan reagiert, sondern sein Vorgehen geplant habe. "Außerdem ist das Gebiet, aus dem die Rakete abgeschossen wurde, eines, von dem uns versprochen wurde, dass der Iran dort nicht präsent sein wird", so Conricus.

Der Abschuss nur einer Rakete zeigt zwar, dass der Iran kein Interesse daran hat, die Situation eskalieren zu lassen; der ungewöhnliche Angriff ist dennoch als Warnung des Mullah-Regimes zu verstehen, dass es nicht bereit ist, Angriffe Israels auf Ziele in Syrien länger zu dulden.

Die Lage im Norden bleibt also angespannt: Aus Sicherheitsgründen hat Israel das Skiresort auf dem Hermon-Berg am Montag geschlossen, weitere Einschränkungen gebe es für die Bevölkerung aber vorerst nicht, so Armeesprecher Conricus. Die Armee sei aber in hoher Alarmbereitschaft. (Lissy Kaufmann aus Tel Aviv, 21.1.2019)